Installationen von Mischa Kuball in Berlin Mit Lichteffekten zurück zu Libeskinds Kraft

Berlin · Der Düsseldorfer Mischa Kuball durchbricht mit seinen Installationen in Berlin gewohnte Abgrenzungen.

 Mischa Kuballs Licht- und Klandinstallation „resonant“ im Jüdischen Museum Berlin.

Mischa Kuballs Licht- und Klandinstallation „resonant“ im Jüdischen Museum Berlin.

Foto: Jüdisches Museum berlin/Jüdisches Museum Berlin, Foto: Ladislav Zajac/Archiv Mischa Kuball, Düsseldorf/VG Bild-Kunst, Bonn 2017

Mischa Kuball (59) ist Konzeptkünstler in Düsseldorf und Kunstprofessor in Köln. In Berlin ist er an diesem Nachmittag Müllmann. Eigenhändig räumt er am Görlitzer Bahnhof einen Packen Papierfetzen weg, die neben einer großen Reklamewand liegen. Letzte Woche warb hier, an der Oranienstraße 1, noch ein Reiseunternehmen mit Urlaubsträumen. Jetzt hat Kuball ein Gedicht des jüdischen Dichters und Holocaustüberlebenden Paul Celan auf die Plakatwand gebracht. Davor ist mit Kreidespray eine Fläche markiert. Beides ist Teil einer Installation, die eine Verbindung zum drei Kilometer entfernten Jüdischen Museum herstellt. Zur Berliner Art Week ist es Straßenkunst der besonderen Art.

Szenenwechsel, Zeitwechsel. Im November letzten Jahres geht Kuball mit „resonant“ im Jüdischen Museum an den Start. Museumschefin Léontine Meijer-van Mensch hat ihm freie Hand gelassen, im Keller eine 350 Quadratmeter große Fläche mit zwei sogenannten „Voids“ zu bespielen. Das sind die Leerräume, die Architekt Daniel Libeskind bei seinem atemberaubenden Erweiterungsbau entstehen ließ, indem er sich an Straßenverläufen mit markanten Adressen orientierte. Die Oranienstraße 1 ist als Titelgeber des Celan-Gedichtes eine davon. Deshalb hat Kuball auch die Umrisse eines solchen Leerraumes genau hierhin gebracht und zusätzlich ein Poster mit Eindrücken der Installation im Museums-Innern aufgehängt.

Eigentlich wollte er für diesen Kunst-Sprung aus dem Museum heraus auch noch die Licht- und Toneffekte mitbringen. Doch das wollte die Bezirksverwaltung nicht. Zu sensibel? Wer der Plakatwand den Rücken zudreht, erkennt einen Grund: Genau gegenüber dem Gedicht des jüdischen Dichters als Klammer zum Jüdischen Museum prangt groß die Omar-Moschee mit ihren vier großen Minaretten. Einheimische würden sagen: Dit is Berlin. Der Düsseldorfer zuckt mit den Achseln. Er kann bei der anderen Außeninstallation direkt vor dem Museum zeigen, wie es auch an der Oranienstraße hätte sein können.

Ein besonders in den Abendstunden formatfüllend lichtdurchflutetes Geviert auf dem Bürgersteig, dazu jeweils einminütige Geräuschkompositionen von 220 Musikern aus der ganzen Welt. Kuball hat die Beiträge unzensiert ins Museum geholt und damit bereits eine doppelte Schranke durchbrochen. Außen ist das Museum eines der bestbewachten Bauwerke Berlins. Im Innern wachen Kuratoren über die Inhalte. Die Aufnahmen rutschten hingegen unkontrolliert durch. Mit Gewohnheiten der Begrenzung hat sich Kuball immer wieder auseinandergesetzt und sie aufzuheben versucht. So wie 1994 bei der Synagoge in Stommeln, als eine junge Frau diese Kunst faszinierend fand und sich vornahm, Kuball auch mal zu holen, wenn sie Museumschefin ist. Nun leitet sie das jüdische Museum und ließ Kuball den Libeskind-Bau zur ursprünglichen Kraft der Architektur zurückfinden.

Mit Spiegeln, drehenden und knackenden Scheinwerfern, mit Stroboskop-Blitzen und den Soundclipsen durchmisst, betastet, interpretiert und veredelt er die Leerräume. Libeskind sei ganz begeistert gewesen, als er ihm in New York sein Projekt vorstellte, berichtet Kuball.

300.000 Besucher haben sich ebenfalls davon überzeugen können, wie ein Düsseldorfer in Berlin die architektonische Radikalität des New Yorkers wiederherstellt. Wenn die Installation im nächsten Frühjahr endet, wird eines bleiben: Der Wunsch, die Leerräume – anders als in den letzten 17 Jahren– nie mehr zu verschließen und mit Teppich und Gegenständen ihre Kraft zu nehmen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort