Jüdische Kulturtage Rhein-Ruhr „Die jüdische Kultur ist Bestandteil der Stadtkultur“

Düsseldorf · Die Leiterin der Jüdischen Kulturtage Rhein-Ruhr spricht im Interview mit unserer Redaktion über ihr Festival und das Leben von Juden in Deutschland.

 Inna Goudz vorm Café Europa in Düsseldorf.

Inna Goudz vorm Café Europa in Düsseldorf.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Inna Goudz trifft man dieser Tage am besten im Café Europa in der Düsseldorfer Altstadt, dort hat sie mir ihrem Team das Festivalzentrum für die Jüdischen Kulturtage eingerichtet. Das Festival beginnt am Donnerstag, 15 Städte sind bis zum 14. April mit 220 Veranstaltungen beteiligt: Lesungen, Konzerte, Ausstellungen, Theater. Im Café Europa kann man freitags Schabbat feiern und diesen Samstagabend zu elektronischer Musik.

Bei den Jüdischen Kulturtagen geht es um das Thema „Zuhause“. Was bedeutet denn Zuhause für Sie?

Goudz Zuhause ist da, wo ich das Gefühl habe, mich frei entfalten und mitentscheiden zu können. Es ist eine Mischung aus Geborgenheit, Sicherheit und Freiheit. Diese Überlegungen waren auch der Ausgangspunkt für die Konzeption unseres Festivals.

Die vergangene Festival-Ausgabe fand unter dem Motto „Angekommen“ statt. Ist „Zuhause“ die logische Fortsetzung?

Goudz Bei „Angekommen“ hat man die Assoziation, neu zu sein, sich noch orientieren zu müssen. Der nächste Schritt ist es, die Koffer nur noch für den Urlaub zu packen und mitzugestalten.

Sie schreiben auf Ihrer Internetseite davon, ein Zuhause einrichten zu wollen und „hoffentlich“ nicht mehr verlassen zu müssen. Das klingt verhalten optimistisch.

Goudz Man kann nur einen Schritt nach dem anderen machen. Historisch betrachtet, sind die Juden schon ein paar Mal in Deutschland angekommen, haben sich eingerichtet, und dennoch kann man angesichts der historischen Wirklichkeit, der Verfolgung und der Schoa nicht von Zuhause sprechen. Deshalb ist unsere Hoffnung, dass sich dieses Mal tatsächlich etwas verändert.

Zuletzt ist die Zahl antisemitisch motivierter Straftaten in NRW gestiegen. Bereitet Ihnen das Sorge?

Goudz Auf Fragen zur Bedrohungslage können die Behörden besser Antworten geben. Antisemitismus ist ein Problem für Juden, aber es ist kein „jüdisches Thema“. Übrigens auch nicht bei den Jüdischen Kulturtagen. Die Bekämpfung des Antisemitismus ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Was kann ein Festival leisten, um ein Gefühl von Zuhause zu entwickeln?

Goudz Wir sagen ganz bewusst, dass es kein Festival für ein jüdisches oder nicht-jüdisches Publikum ist. Es ist ein Festival für alle, die an Kultur interessiert sind. Ich glaube, dass Kultur Impulse setzen kann, Vorstellungen zu entwickeln. Wenn unser Publikum eine Idee davon bekommt, wie es sein könnte, wenn Deutschland für jeden ein Zuhause wäre, mag sich dieser Gedanke vielleicht verfestigen.

Wie wollen Sie Menschen erreichen, die keine Berührungspunkte zum Judentum haben?

Goudz Indem wir ein unterhaltsames Programm anbieten. Es ist uns nicht so wichtig, das Judentum als Religion zu vermitteln, sondern als Kultur. Religion mag die Basis sein, aber wir wollen zeigen, dass die jüdische Kultur ein Bestandteil der Stadtkulturen ist. Es ist etwas, das ohnehin da ist, was aber vielleicht noch nicht jeder mitbekommen hat.

Sie haben ihr Festivalzentrum mitten in der Düsseldorfer Altstadt eingerichtet. Ist das eine bewusste Entscheidung?

Goudz Das Festivalzentrum sollte weder in einer jüdischen Gemeinde noch in einem Museum untergebracht sein. Wir haben bewusst den Schritt nach draußen gewagt, um zu zeigen: Wir wollen in der Stadtkultur präsent sein, weil wir Teil davon sind. Wir wollen, dass man uns sieht. Wir wollen die Leute einladen. Das kann man nur, wenn man vor Ort ist.

Glauben Sie, dass sich das Selbstverständnis der Juden in Deutschland durch junge Intellektuelle wie Sasha Marianna Salzmann und Max Czollek, der auch beim Festival auftritt, verändern wird?

Goudz Das wünschen wir uns. Es wird nun vieles in Frage gestellt, was bislang als unantastbar galt, dazu gehört zum Beispiel die Erinnerungskultur . . .

. . . die Czollek in seinem Buch „Desintegriert euch“ kritisiert.

Goudz Es ist wichtig, Fragen aufzuwerfen und zu diskutieren, etwa darüber, ob das die Erinnerungskultur ist, die alle gleichermaßen berührt. Die Stimmen, die nun lauter werden, zeigen, dass es da etwas Neues gibt. Bemerkenswert darin ist auch, dass es keine Stimmen sind, die von außen kommen, sondern die Stimmen von Menschen, die hier aufgewachsen sind.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort