Essen Josef Stoffels ließ den Bergbau hochleben

Essen · Das Essener Ruhr-Museum zeigt optimistische Ruhrgebiets-Fotografien aus den 1950er Jahren.

Das Jahr 2018 wird in die Geschichte eingehen als das Jahr, in dem die letzte Steinkohlenzeche in Deutschland schließt. Damit endet eine Entwicklung, die schon vor gut 60 Jahren begann, damals noch kaum als solche empfunden wurde, dann als Krise und später als Strukturwandel galt. Der Essener Josef Stoffels (1893-1981) hat in den 1950er Jahren nahezu alle Zechen zwischen Kamp-Lintfort und Dortmund fotografiert. Und da die Steinkohlenförderung 1957 im Ruhrgebiet mengenmäßig ihren Höhepunkt erreichte, zeichnete er in Schwarz-Weiß und in Farbe ein optimistisches Bild dieser scheinbar auf Ewigkeit angelegten Industrie.

Doch Höhepunkt bedeutete auch, dass es schon Ende desselben Jahres mit den Zechen bergab ging. Einfuhrzölle fielen, preisgünstige Importkohle machte der heimischen Konkurrenz, und neue Energieträger breiteten sich aus. Stoffels wollte das wie viele andere nicht wahrhaben. Als Fotograf lebte er von den Zechen genauso wie die Bergleute, die Stahlindustrie und alles, was sonst noch an den Kohlegruben hing.

Während nur verhalten das Wort Krise die Runde machte, ließ Stoffels den Bergbau des Ruhrgebiets hochleben. In einer Ausstellung des Essener Ruhr-Museums auf der einstigen Zeche Zollverein kann man nun anhand von mehr als 400 Fotografien verfolgen, wie Stoffels den Bergbau und die Menschen, die dieser ernährte, mit der Kamera begleitete - sich selbst und seine Familie eingeschlossen.

Anders als der Kölner Fotograf Chargesheimer, der zur gleichen Zeit wie Stoffels im Ruhrgebiet unterwegs war und vor allem das harte Leben der Bergarbeiter einfing, dokumentierte Stoffels den Kohlenpott fast als heile Welt. In der Ausstellung kann man sich vom fröhlichen "Schichtwechsel auf Pattberg" in der Zeche Rheinpreußen auf heutigem Moerser Gebiet bis zum Tischtennisspiel von Berglehrlingen in einem Heim der Zeche Consolidation in Gelsenkirchen bewegen. Auf den Fotografien, die unter Tage entstanden, trifft man auf Bergleute, die Arbeit in hoher Konzentration verrichten. Doch wie Menschen in dieser Umgebung aufgerieben wurden, das lässt sich vor diesen Bildern nicht ahnen.

Der wohlwollende dokumentarische Anspruch von Stoffels' Fotografien ist durchweg höher als der künstlerische. Das hat auch seinen Reiz, denn Stoffels inszeniert nicht. In älteren Betrachtern weckt er so fast heimelige Gefühle: Sieh da, so war das in den 50ern - die alten Borgward-Pkws, Ford-Lastwagen und Busse mit von Hand zu öffnenden Türen.

Auch die Fotografien, die Frauen zeigen, spiegeln getreu die 50er Jahre. Man findet Frauen nicht an Arbeitsplätzen, sondern in einem Nähkursus für Bergarbeiterfrauen auf der Zeche Mathias Stinnes in Essen-Karnap oder - immerhin - in der Werksbücherei der Zeche Sterkrade in Oberhausen. Wo Kokereien und andere Industrieanlagen ins Bild geraten, haftet ihnen etwas Heroisches an. Der Qualm aus den Schloten unterstreicht nur die Leistungsfähigkeit der Zechen.

Josef Stoffels war ein industriefreundlicher Fotograf, weil er von der Industrie abhängig war. Von der Mitte der 1930er Jahre an arbeitete er für das von den Nationalsozialisten initiierte Haus Heimat in Essen, von 1939 bis 1943 war er Angestellter der Fried. Krupp AG, nach Kriegsende stellte er sich in den Dienst der britischen Militärregierung. Da drückte er zum Beispiel auf den Auslöser, als englische Besatzungsoffiziere es sich an der Bar der Villa Hügel in Essen gemütlich machten. Später zählten Stadtansichten von Essen zu seinen Spezialitäten: Fotografien vom Baldeney-See oder auch ein höchst bürgerliches Selbstporträt mit Ehefrau im Grugapark, einem seiner Lieblingsorte und -motive.

Info Ausstellung bis 2. September, Ruhr-Museum auf Zeche Zollverein, Essen; geöffnet Mo.-So. 10-18 Uhr; Eintritt: sieben Euro, ermäßigt vier Euro, Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren frei.

(B.M.)
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