Eröffnung am Schauspiel Bochum Markanter Auftakt in Bochum

Bochum · Johan Simons beginnt seine Intendanz mit Feuchtwangers „Jüdin von Toledo“.

 Johan Simons inszeniert in Bochum die „Jüdin von Toledo“.

Johan Simons inszeniert in Bochum die „Jüdin von Toledo“.

Foto: Brüggemann/Joerg Brueggemann / OSTKREUZ

Es weht ein neuer Wind am Bochumer Schauspielhaus. Daran lässt die starke Eröffnungsinszenierung des neuen Intendanten Johan Simons keinen Zweifel. Mit der Adaption von Lion Feuchtwangers Roman „Die Jüdin von Toledo“ stellt er sein neues Ensemble und sich selbst vor – und offenbart: Bochum hat endlich wieder einen Regie führenden Intendanten mit einer starken Handschrift. Einen, der mit Liebe, Lust und Hingabe zu seinen Stoffen, Schauspielern und dem wunderbaren Theaterraum aus den 1950er-Jahren arbeitet, den die Marketingabteilung wie schon unter Vorgänger Olaf Kröck in den sozialen Medien unter dem Stichwort schönstestheaterderwelt bewirbt.

Erstaunlich ist, wie Johan Simons mit seinen 72 Jahren mit leichter Hand und kindlichem Vergnügen Stadttheaterkonventionen aufbricht. Sein Ensemble ist bunter und vielstimmiger als man es von Bochum und den meisten anderen Häusern in Deutschland gewohnt ist: Die Schauspieler bringen andere kulturelle Einflüsse mit, manchmal erkennbar an schönen Färbungen, die sie in das englisch übertitelte Bühnendeutsch bringen.

Anstatt mit den technischen Möglichkeiten der neuen Wirkungsstätte zu spielen, hat sich Johan Simons mit Bühnenbildner Johannes Schütz für zwei klare Setzungen entschieden: Sein wunderbares Ensemble wirft sich auf einer dauerhaft langsam fahrenden Drehbühne in die Geschichte aus dem Spanien des 12. Jahrhundert. Und in der Mitte hängt frei schwingend eine Mauer aus weißem Kalk. Ansonsten ist der Blick frei auf die nackte Maschinenerie.

Mehr braucht der virtuose Regisseur nicht, um das auf drei Spielstunden eingedampfte Romangeschehen zum Leben zu bringen. Spanien ist zweigeteilt in einen islamischen Süden und einen christlichen Norden. Kulturell steht der islamische Teil in voller Blüte, der christliche Teil ist rückständig, die Bevölkerung dumpf und kriegslüstern – so viel überraschende Geschichtslektion lernen die Zuschauer schon im kurzen Prolog, den Koen Tachelet seiner gelungenen Bearbeitung voranstellt.

Zwischen den Welten stehen die Juden, schon damals überall verfolgt oder zumindest kritisch beäugt. Der zum Islam konvertierte jüdische Kaufmann Jehuda wagt den Umzug nach Toledo in den christlichen Norden, wo er dem jungen König Alfonso als Geldbeschaffer dient und hofft, ihn vom Kriegszug in den Süden abhalten zu können. Das klappt sogar eine Zeitlang, auch, weil seine schönen Tochter Raquel dem König die Sinne verwirrt.

Hanna Hilsdorf und Ulvi Erkin Teke agieren als Jüdin und König in bester Berliner-Volksbühne-Manier: Sie sprechen die Texte lässig und schlampig wie gelangweilte Teenager, als müssten sie die aufschlussreichen Reflexionen über die Liebe und das Verhältnis der monotheistischen Weltreligionen erst mühsam durchdringen. Doch genau durch solche seltsamen Brechungen – und durch starke Bilder etwa beim schamlosen Wüten des Kriegsgeschehens – lebt diese wunderbare Inszenierung.

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