Düsseldorf Jesus kritisiert das Establishment

Düsseldorf · Oster-Serie: Am Kardienstag hat der Gottessohn spektakuläre Worte gefunden.

Selten erschien das, was am Dienstag der Karwoche geschah, so aktuell zu sein wie in diesem Jahr. Zumindest in der römisch-katholischen Kirche. Denn all das, was Jesus an diesem Tag im Tempelbezirk von Jerusalem lehren oder verkünden wird, wirkt wie ein wohlmeinender und begleitender Kommentar zu dem, was Papst Franziskus gleich zu Beginn seines Pontifikats verkündete: Demut und Bescheidenheit im Amt statt Pomp und Luxus, Barmherzigkeit gegenüber den Menschen statt Überheblichkeit.

Wie sehr dies zum "Programm" des neuen Papstes gehört, wird auch an einer in Rom derzeit vielfach kolportierten, offiziell indes nicht bestätigten Begebenheit deutlich. Denn gleich nach seiner Wahl soll Franziskus im berühmten Ankleidezimmer mit dem Zeremonienmeister Guido Marini aneinander geraten sein. "Das können Sie anziehen", habe der Pontifex dem verdutzten Marini gesagt, als dieser ihm die prachtvolle Mozetta umlegen wollte. Außerdem: "Der Karneval ist vorbei."

Nichts anderes scheint auch Jesus an diesem Tag den Menschen sagen zu wollen. Seine Reden sind eine einzige Kritik am priesterlichen Establishment. Der Größte unter ihnen soll Diener sein, verlangt Jesus: "Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden." Schriftgelehrte und Pharisäer nennt er Heuchler, die das Himmelreich vor den Menschen verschließen und doch selbst nicht hineingelangen. "Schlangen" und "Natternbrut" heißen sie bei ihm, und er prophezeit am Ende unheilvoll, dass von der Synagoge kein Stein auf dem anderen bleiben wird – "alles wird zerstört".

Und die hohen Spenden der Pharisäer? Nichts seien sie im Vergleich zur spärlichen Opfergabe, die eine arme Witwe gibt. Weil das Geld auch damals schon keine geringe Rolle spielt, wird Jesus auch danach gefragt, ob es denn erlaubt oder geboten sei, dem Kaiser Steuern zu entrichten. Darauf fragte er die Umstehenden, wer denn auf dem Denar abgebildet sei. Und die Leute rufen: der Kaiser! Und dann gibt Jesus seinen ebenfalls berühmten Rat: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist."

Das, was Jesus an diesem Kardienstag den Menschen anvertraut, hat das Zeug zu einer Regierungserklärung. Darin geht es auch um die Auferstehung und die Frage, wer ihn überhaupt ermächtigt habe. Doch so kraftvoll und überzeugend all das ist, was Gottes Sohn sagt, so ziehen doch bereits erste Schatten auf. Vom künftigen Ende und von Zerstörung ist die Rede, von der Gesetzlosigkeit und einer Liebe, die erkalten wird. Am Ende dieses Tages wird die Passion schon sichtbar und vorstellbar.

Der Karmontag ist mit der Tempelreinigung sicherlich spektakulärer; das Spektakuläre am Dienstag aber sind die Worte, die Jesus uns anvertraut. Genau darin liegt auch die Faszination für den neuen Papst.

(RP)
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