Düsseldorf Jamie XX produziert den Soundtrack zur Gegenwart

Düsseldorf · Es gibt ziemlich viele Menschen, die haben von diesem bleichen Kerl ein Meisterwerk erwartet, und nun dürfen sie sich freuen, denn die Hoffnungen wurden erfüllt: Der 27 Jahre alte britische Musiker Jamie XX legt sein Soloalbum "In Colour" vor, und es ist so großartig, dass man die verwaschenen Elektrosounds und diesigen Euphorielieder den ganzen Tag im Ohr haben möchte.

Jamie XX ist Teil des Trios The XX, das vor sechs Jahren mit minimalistischem, auf den Kern reduziertem Gitarrenpop begeisterte. Romy Madley Croft und Oliver Sim standen vorne an der Bühne, das war die Arbeitsteilung, und hinten stand Jamie XX und baute am Synthesizer Hallräume, die von seinen Freunden mit schockgefrosteten Melodien und waidwunden Worten möbliert wurden. Der Sound wurde stilbildend, Radiohead buchten Jamie XX als Remixer, Alicia Keys ließ sich von ihm ausstaffieren, und mancher findet seinen Remix des Adele-Hits "Rolling In The Deep" besser als das Original.

Nun also das erste Soloalbum, und es klingt wärmer als die letzten Stücke von The XX, wie der Soundtrack zu jenem Moment am frühen Sonntagmorgen, in dem man auf dem Heimweg merkt, wie gut der Samstagabend war. Jamie XX mischt US-Housemusic mit britischer Dance-Tradition. Die Vocals sind beseelt, die Bässe drücken dem Hörer das Herz gegen die Rippen, die verspielt hingeklöppelte Percussion hat etwas Karibisches. Die Atmosphäre ist geisterhaft, aber angenehm, melancholisch und dennoch heiter. Gegenwart im Groove.

"You wanna disappear in a crowd", singt Oliver Sim. Und Romy Madley Croft flüstert: "I go to loud places to search for someone to be quiet with." Vielleicht ist diese Platte im Grunde das dritte Album von The XX. Auf jeden Fall aber schon jetzt ein Höhepunkt des Popjahres.

(RP)
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