Texte in deutscher Übersetzung Drei frühe Geschichten von Salinger

Düsseldorf · Erstmals erschienen die Texte des Kultautors jetzt in deutscher Übersetzung.

Weil das meiste an Jerome D. Salinger Kult gewesen ist, wird auch diese postume Buchveröffentlichung wie ein sakraler Akt begangen: mit der deutschen Erstübersetzung drei seiner frühen Erzählungen. 1940 und 44 erschienen sie, zwei im Story magazine, eine in der University of Kansas City Review. Ein paar Jährchen also vor seinem ersten Roman, vor "Der Fänger im Roggen", diesem unheimlichen Buch der Jugendrevolte mit seinem 17-jährigen Erzähler Holden Caulfield. Weit über 60 Millionen Mal ist dieses Buch verkauft worden, unter ihnen berühmte und tragische Leser: Marc David Chapman trug Salingers Roman bei sich, als er John Lennon erschoss; John Hinkley, der einen Mordanschlag auf Ronald Reagan unternahm, galt ebenso als Salinger-Fan wie der mutmaßliche Bombenleger Theodore Kaczynski.

Nur 15 Jahre nach dem "Fänger im Roggen" wird Salinger - versteckt in einer Waldhütte bei Cornish, New Hampshire, lebend, das Schreiben einstellen und bis zu seinem Tod vor fünf Jahren auch nichts mehr veröffentlichen.

Natürlich denkt man an all das, wenn man die drei überschaubaren Texte liest. Meisterwerke sind es nicht; aber das spielt in diesem Fall nicht die große Rolle. Weil Salinger ein literarischer Kosmos für sich ist, dem man nun bei seiner Entstehung zuschauen kann. "Die jungen Leute" heißt das Buch, und von jungen Leuten erzählt es; von ihren Versuchen, sich in der Welt zurecht zu finden, in der Liebe, im Studium. Das gerät auf einer Party zu einer unbeholfenen und zwischen zwei Geschwistern zu einer aggressiven Angelegenheit.

Neu und aufregend unbekannt sind solche adoleszenten Psychogramme nicht; wohl aber der Salinger-Sound, der sich dezent auch über die frühen Geschichten zu legen versucht. Es gibt fast nur Dialoge, in denen die Figuren lebendig werden. Wobei Salinger ein paar Striche ausreichen, sie uns vor Augen zu stellen. Was im Ton so lakonisch wirkt, sind erste Versuche, vor allem durch Aussparung zu erzählen. Mittendrin scheinen die Geschichten zu beginnen und mittendrin auch zu enden: "Er hatte eine Zigarette im Mund, und er kniff die Augen zusammen, damit kein Rauch hineinkam, weswegen sich unmöglich sagen ließ, ob er gelangweilt oder angespannt war, verärgert oder resigniert."

So beginnt "Einmal die Woche bringt dich schon nicht um", ein Text von 1944. Da war Salinger schon in den Krieg gezogen, hatte an der Landung in der Normandie teilgenommen, war später noch beim Kampf gegen die deutsche Ardennenoffensive und der Schlacht im Hürtgenwald dabei. In Paris konnte Salinger sogar Hemingway treffen, sein großes Vorbild, dessen Stil er in seinen ersten Texten zu kopieren sucht - ordentlich zwar, doch weit entfernt vom großen Original.

Der Text von 1944 ist eine Geschichte vom Krieg; von einem jungen Amerikaner, der ausziehen wird, sein Land zu verteidigen. Und wie er seiner Tante das dann erklärt. "Na ja, ich muss hin. Ich muss einfach. Ich breche noch heute Vormittag auf." Namenlos ist er, namenlos wird er bleiben. Und in dieser Kargheit glaubt man lesend den Kriegstod des jungen Amerikaners zu erahnen. Zu welch erschreckender Phantasie uns Salinger da befähigt.

Ein paar alte Geschichten, die im Gestöber von Tausenden von neuen Büchern erschienen sind. Man sollte sie sich nicht entgehen lassen.

Info J. D. Salinger: "Die jungen Leute". Mit einem Nachwort von Thomas Glavinic. Übersetzt von Eike Schönfeld. Piper, 68 Seiten, 14,99 Euro

(RP)
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