Italien kehrt mit der verrückten Liebe zurück

Welch ein Schmachtfetzen. Ein bisschen Paolo Conte, ein bisschen Roger Cicero, hier ein paar Takte Swing, dann wieder Jazz, zwischendurch ein leichtes Kreischen, das direkt in den Trompetensound überfließt. Alles zusammen könnte eine Chance zumindest auf einen der vorderen zwölf Plätze haben – vor allem dann, wenn viele Frauen für Raphael Gualazzi abstimmen. Denn er ist ein Womanizer, der ein bisschen schüchtern am Piano sitzt und von der Verrücktheit der Liebe ("Madness Of Love") singt.

Das macht er gleich zweisprachig, damit es auch alle besser verstehen. Erfolg hatte er mit diesem selbst geschriebenen Lied bereits, siegte damit in diesem Jahr beim San-Remo-Festival. Direkt anschließend wurde er gefragt, ob er damit auch beim Song Contest antreten würde. Seine Frage: "Wo? Was ist der Song Contest?"

Raphael ist 29 Jahre alt, 14 Jahre hat Italien sich nicht mehr am ESC beteiligt. Vielleicht kein Wunder, dass Gualazzi den europäischen Wettbewerb nicht kannte. Schließlich ging er schon mit 14 an ein Konservatorium in Pesaro, um Klavierunterricht zu nehmen. Europäische Pop-Weisen kamen dort wahrscheinlich nicht vor. Dafür aber jetzt, im Jahr 2011. Und es könnte für den smarten Musiker und Sänger ein Jahr werden, in dem er international etwas bekannter wird. Sein Studium hat er nach fünf Jahren abgebrochen, seit seinem 20. Lebensjahr komponiert er selber. Im Februar erschien sein zweites Studioalbum "Reality And Fantasy", mit dem er auf Tour in Italien und Frankreich war.

Italien ist als eines der fünf Geberländer als Big Five gesetzt, muss nicht die Hürde eines Halbfinales nehmen, sondern tritt morgen direkt im Finale an – auf Platz zwölf.

Im Jahr 1997 trat Italien das letzte Mal bei einem Grand Prix an. In Dublin kam es auf einen guten fünften Platz. Das war dem Fernsehsender RAI egal, es blieb dem Spektakel 14 Jahre fern. Wahrscheinlich auch, weil das San-Remo-Festival im eigenen Land schon immer eine größere Rolle als der Eurovision Song Contest spielte. Elf bis 13 Millionen Fernsehzuschauer sorgen beim italienischen Festival für Top-Quoten. Außerdem gilt San Remo als die Nachwuchs-Schmiede. 36 Mal nahm Italien am Wettbewerb teil – auch mit Erfolg: 1964 und 1990 gab es Platz eins, 1974 Platz zwei. Die Interpreten: Gigliola Cinquetti (1964/1974) und Toto Cutugno.

(RP)
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