Interview mit Isabel Pfeiffer-Poensgen, NRW-Kulturministerin „Kunst wird immer noch schlecht bezahlt“

NRW-Kulturministerin über Staatstheater, das Selbstverständnis der Kunst und die Not der Künstler.

 NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen.

NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen.

Foto: imago/Rüdiger Wölk/Rüdiger Wölk

Bei der sogenannten Gutachteritis der NRW-Landesregierung belegt die Kultur den fünften Platz. Was ist Ihnen so wichtig, dass Sie ein externes Gutachten anfordern?

Pfeiffer-Poensgen 750.000 Euro gehen in die Begutachtung der Universitäts-Kliniken in NRW. Ein wichtiges und umfangreiches Projekt, das auch im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Das gab es vor einigen Jahren schon mal, und es ist sehr wichtig, in regelmäßigen Abständen internationale Experten schauen zu lassen und zu fragen: Machen wir alles richtig? Was müssen wir verändern? Einen weiteren großen Anteil haben Evaluationen im Bereich der Landeszentrale für politische Bildung. Zum Beispiel zu Bund-Länder-Programmen, etwa über Flüchtlinge und deren Spracherwerb. Das waren noch mal circa 500.000 Euro. Für die Kultur gab es nur kleinere Aufträge und kaum Begutachtungen. Insgesamt waren es für alle Bereiche 1,4 Millionen Euro.

Spielen externe Evaluierungen bei der Vergabe von Fördermitteln in der Kultur eine Rolle?

Pfeiffer-Poensgen Das ist im Kulturbereich aus einem sehr praktischen Grund nicht üblich: Wir haben sehr viel Sachverstand im Haus. Die Mitarbeiter kommen aus der Musik, aus dem Theater oder aus der Kunst. Was ich richtig finde, sind Diskussionen in großen Runden mit Betroffenen, wenn wir etwa im Theater, in der freien Szene oder in der Musik etwas verändern wollen. Ich halte es für wichtig, mit den Fachkundigen der jeweiligen Gruppen zu erörtern, was gemacht werden kann oder muss.

Sie möchten kein Staatstheater in NRW. Aber das Düsseldorfer Schauspielhaus wird oft so bezeichnet.

Pfeiffer-Poensgen Ich bin im Moment Vorsitzende des Aufsichtsrates und sehr glücklich, dass Wilfried Schulz seinen Intendantenvertrag verlängert. Wir finanzieren das Düsseldorfer Schauspielhaus auch zur Hälfte, aber historisch betrachtet ist NRW im Gegensatz zu anderen Bundesländern, die einst aus Fürstentümern bestanden und heute oft mehrere Staatstheater und auch Landesmuseen haben, ein bürgerliches Land. Auch mit Blick auf bürgerschaftliches Engagement etwa im Bereich der städtischen Museen. Grundsätzlich finde ich die Idee von Staatstheatern oder -orchestern, wie sie ja schon aufkam, schwierig. Wir setzen eher auf einen Wettbewerb, wie wir ihn gerade erst für städtische Theater und Orchester ausgeschrieben haben.

Oft hat man den Eindruck, dass Kultur kitten soll, was in der Gesellschaft schief läuft. Kann Kultur überhaupt etwas ausrichten? Gerade auch gegen den derzeitigen Populismus, der so oft von rechts kommt?

Pfeiffer-Poensgen Es wird tatsächlich immer an Kunst gedacht, wenn sonst nichts mehr geht. Das kann aber nicht die Aufgabe der Kunst sein. Sie hat eine Existenzberechtigung aus sich heraus. Kunst oder Kultur können nicht alle gesellschaftlichen Probleme lösen. Was sie sicher tun kann, ist mit entsprechenden Formaten ein Forum zu schaffen, in dem mit künstlerischen Mitteln Erkenntnisse beim Einzelnen vermittelt und Diskussionen ausgelöst werden.

Künstler lassen sich gern einbinden, in vielen Fällen weit über Gebühr, weil sie zu Selbstausbeutung neigen. Was kann Politik dagegen tun?

Pfeiffer-Poensgen Nicht viel. Aber sie kann in Verträgen Maßgaben zur tariflichen Bezahlung formulieren. Auch für die freie Szene gibt es Empfehlungen, und wir wollen mit unseren Förderungen auch diese soziale Seite etwas verbessern. Ehrlicherweise muss man aber gestehen, dass zum Beispiel viele Schauspieler mit einem geringen Gehalt einsteigen, obwohl sie ein Hochschulstudium haben, am Theater in sechs Produktionen arbeiten, abends auf der Bühne stehen, tagsüber proben und dazwischen auch noch Texte lernen. Kunst wird – von wenigen Spitzenverdienern abgesehen – auch heute immer noch sehr schlecht bezahlt.

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