Interview Tino Hanekamp „Nick Cave ist der größte Songwriter“

Der Schriftsteller („Sowas von da“) über den Musiker und dessen neues Album „Ghosteen“.

 Sänger Nick Cave (l.), Buchautor Tino Hane­­kamp.

Sänger Nick Cave (l.), Buchautor Tino Hane­­kamp.

Foto: dpa, Suarez/Kiwi/dpa

Soeben ist das neue Album von Nick Cave erschienen, „Ghosteen“ heißt es. Wir haben den Schriftsteller Tino Hanekamp gefragt, wie er das Album findet. Hanekamp (40) ist Mitbegründer des Hamburger Clubs „Uebel & Gefährlich“ und lebt derzeit in Mexiko. Er hat in der neuen KiWi-Musikbibliothek den Band über Nick Cave veröffentlicht (144 S., 10 Euro). Die Reihe widmet sich pro Buch einem Künstler, es schreiben Sophie Passmann über Frank Ocean, Anja Rützel über Take That und Thees Uhlmann über die Toten Hosen.

Warum schreiben Sie ausgerechnet über Nick Cave?

Tino Hanekamp Weil ich mit ihm eine persönliche Geschichte habe, die mittlerweile so lang und so vielschichtig ist, dass man da gut ein kleines Buch drüber schreiben kann. Und er ist einer der spannendsten Künstler unserer Zeit, nicht nur was seine Musik angeht, und spätestens seit seinem neuen Album muss man sagen: Er ist auch der größte Songwriter unserer Zeit, da Cohen tot ist, Dylan nur noch covert und Tom Waits schon ewig nichts mehr gemacht hat.

Was hebt Nick Cave von anderen ab?

Hanekamp Oh, mein Gott – an den ich nicht glaube –, wie soll ich das denn beantworten, ohne dabei gleich ein kleines Buch zu schreiben? Cave hat sich im Laufe seiner Karriere ständig gewandelt und das immer auf hohem und oft sehr hohem Niveau, allein das hebt ihn schon ab: der ständige Wandel bei bleibender Qualität. Und so was wünscht man sich ja von jedem Künstler (außer vielleicht von AC/DC) und letztlich sicher auch vom eigenen Leben, es sei denn, man ist vollkommen glücklich mit dem, was man hat und wer man ist. Künstlerisch kann man nach dem neuen Album sagen, dass er sich von einer meisterhaften Theatralik, vom Hohepriester des Pathos und Wütens, zu einer beispiellosen Direktheit (textlich) und erstaunlichen Zärtlichkeit (musikalisch und textlich) entwickelt hat. Aber das ist nur eine grobe Zusammenfassung seiner Verpuppungsstadien.

Mit welchem Album sollte man einsteigen in den Kosmos Cave?

Hanekamp Ein Album reicht da nicht, weil dieser Kosmos so weit und vielgestaltig ist, es empfiehlt sich also die Best-Of-Sammlung „Lovely Creatures“.

Nick Cave schreibt, bloggt, tritt innerhalb von Spoken-Word-Abenden mit dem Publikum in Dialog. Warum sucht er die Nähe zu den Fans?

Hanekamp Um nach dem Tod seines Sohnes Arthur weiterleben zu können.

Wie wichtig ist nach dem Tod seines Sohnes der biografische Aspekt bei Nick Cave?

Hanekamp Früher war der nicht so wichtig (zumindest nicht wichtiger, als bei jedem anderen Künstler auch – auf jeden Fall nicht wichtig zum Verständnis des Werks). Nach dem Tod seines Sohnes ist das anders. Man kann die letzten beiden Alben auch ohne das Wissen um die Tragödie und Caves Ringen mit der Trauer hören, aber in diesem Kontext entfalten sie noch mal eine andere Wucht und Kraft. Sie sind das Ergebnis von Caves Kampf zurück ins Leben, wie auch sein Blog und seine Conversation-Shows, und damit von universeller Bedeutung für jeden Menschen, denn wie Cave auf „Ghosteen“ singt: „Everybody’s losing someone“.

Wie finden Sie das neue Album?

Hanekamp Erschütternd großartig. Musik wie diese hat es noch nie zuvor gegeben.

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