Internationale Möbelmesse in Köln Was halten Sie von Sofas in Orange?
Köln · Bei einem Rundgang über die weltgrößte Möbelmesse in Köln kann man erforschen, wie wir künftig leben werden.

Trends auf der Möbelmesse IMM 2019 in Köln
Die Wohnung der Zukunft steht voller Grünzeug. Monstera deliciosa heißt die Pflanze der kommenden Stunden, man sieht sie heute schon in einigen Deko-Läden und bei Instagram, und auch auf der Möbelmesse in Köln. Überall.
Dort ist die Monstera selbstverständlich nur Zierrat, irgendwie muss man die fensterlosen Messehallen ja etwas aufmöbeln. Trotzdem steht die Pflanze aus der Gattung der Fensterblätter zugleich für Größeres, dafür, dass die Zukunft grün ist, auch im übertragenen Sinne. Nachhaltig soll alles sein, ökologisch, gesund. Wo immer auf der Messe die Naturverbundenheit herausgestellt werden soll, steht in einem Kübel eine Monstera wie ein lebendiges Ausrufungszeichen, und wem das nicht reicht, der klebt als Aussteller hinter den Massivholz-Tisch noch eine Fototapete in Wildwuchs-Optik.
In Köln läuft bis Sonntag die Internationale Möbelmesse, und das ist eine gute Gelegenheit, einmal zu erforschen, wie Menschen künftig leben wollen, sollen oder könnten. 150.000 Besucher werden erwartet, 1355 Aussteller zeigen ihre Küchenzeilen, Schrankwände, Sofas, Sessel, Stühle, Tische, Betten. Alles, was die Branche gerade neu entwickelt oder wiederentdeckt hat, ist zu sehen, in zehn Messehallen, manche davon mehrstöckig.
Man muss sich das vorstellen wie die Ausstellungsräume eines Möbelhauses, nur zum Quadrat, und man muss nach einem ersten Rundgang seine Erwartungen etwas zurückschrauben. Natürlich werden unsere Wohnbereiche immer schlauer, smarte Technik wird sich um den Einkauf kümmern und uns in der Küche helfen, aber Grundsätzliches bleibt, wie es ist. Ein Stuhl ist ein Stuhl ist ein Stuhl. Und manchmal ist die Sitzfläche heutzutage geflochten, das ist gerade nämlich angesagt, wohl weil Handgearbeitetes oder vermeintlich Handgearbeitetes ohnehin eine große Sache ist. Aber auch in Zukunft wollen die Menschen am Küchentisch gerne Platz nehmen, und geschlafen wird weiterhin im Liegen, nicht im Stehen. Höchstwahrscheinlich ist das auch gut so, nur eben nicht sonderlich utopisch.
Laut einer Umfrage des Allensbach-Instituts im Auftrag des Möbelindustrie-Verbands (VDM) sind 68 Prozent der Deutschen zufrieden mit ihrer Einrichtung, es herrscht also eine gewisse Genügsamkeit hierzulande. 26 Prozent wünschen sich demnach übrigens eine neue Couch. Individualität ist den meisten wichtig: 79 Prozent legen Wert darauf, ihre Wohnräume ganz nach ihrem Geschmack einzurichten. „Unser Zuhause ist nicht, wo wir leben, sondern wie wir leben, um uns wohlzufühlen“, sagt VDM-Trendexpertin Ursula Geismann. So herrscht denn auch ein fröhlicher Eklektizismus in den Kölner Messehallen. Von allem gibt es reichlich.
Zurückgegriffen wird dabei gern auf Altbewährtes, neben Zierlichem aus der Mitte des 20. Jahrhunderts wendet sich die Möbelindustrie nun den 1970ern zu. Reihenweise bunte Sitzgelegenheiten finden sich in den Messehallen, so dass man sich irgendwann fragt, wer das wirklich wagt, sich ein gelbes oder gar oranges Sofa ins Wohnzimmer zu stellen. Deshalb gibt es denn auch eine große Auswahl an Gediegenem in gedeckten Farben. Der Sandalen-Hersteller Birkenstock präsentiert Betten in Erdtönen an einem als Urwald ausstaffierten Messestand. Der in Lehrer-Haushalten beliebte Einrichter Hülsta stellt seine Serie „solid“ vor. Massivholz, Stahl, Glas. „Bis ins Detail unverfälscht“, wirbt Hülsta für die Systemmöbel.
Gegen die Komplexität der Außenwelt scheint der Rückzug ins Private ein probates Mittel, auch Mobiliar soll das offenbar zum Ausdruck bringen. Vor allem Holzmöbelfabrikanten versprechen größtmögliche Authentizität. Mit der „Handschrift der Natur“ und 200 Jahre altem „Original Altholz“ wird geworben; „100 % Echt“ ist wohl der schönste Spruch mit dem jemals ein Esstisch angeboten wurde. Allein die vielen Sideboards ohne Griff und Knauf scheinen ein letztes Mal die Oberflächlichkeit zu feiern.
Ansonsten: Bewusstseinsschärfung. Studenten stellen in einem eigenen Bereich ihre Visionen vor, darunter ein Kleiderbügel, der lange Ungetragenes von allein abwirft und einen gewissermaßen dazu anhält, über das Konsumverhalten zu reflektiert. Den Bügel gibt es bislang leider nur als Prototyp.
Das erst im vergangenen Jahr gegründete Unternehmen Livana produziert selbstbewässernde Kräutertöpfe mit besonderen Kapillarstrukturen, die verhindern sollen, dass die Pflanzen sofort eingehen, wenn man sie mal überwässert oder übersieht.
Und das Berliner Unternehmen Room In A Box fertigt Möbel aus Wellpappe, unter anderem Betten aus 70 Prozent Altpapier. „Die Akzeptanz wächst“, sagt Produktdesignerin Leonie Zebe. Bestellen kann man die Betten im Internet, sie werden dann zusammengefaltet ausgeliefert. Auf den Bildern im Netz steht neben dem Bett eine Monstera deliciosa.