In Frankfurt: Else Lasker-Schüler als Zeichnerin

Frankfurt/M. Else Lasker-Schüler hatte immer viel gezeichnet. In ihren Briefen ist oft die Rede von ihren Bildern, die eine wichtige Erwerbsquelle waren. Sie wurden schon früh ausgestellt, 1913 in Prag, 1915 Berlin und München, später im Exil in Zürich und Jerusalem, 1939 auch in London. Zu ihren Lebzeiten (1869–1945) war die Dichterin als bildende Künstlerin anerkannt, erst nach ihrem Tod geriet diese Seite ihres Werks in Vergessenheit.

Dass Else Lasker-Schüler eine Doppelbegabung war, zeigt nun das Jüdische Museum in Frankfurt am Main mit der gelungenen Präsentation von rund 150 Zeichnungen, Collagen, Briefzeichnungen und handkolorierten Lithographien. Vor schwarzen Wänden leuchtet die orientalische Traumwelt der Künstlerin auf: ihre Kuppeldächer unter Sternenhimmeln, ihre in satten Farben kolorierten Hebräer, Abessinier, Perser und vor allem ihre "Thebetaner": Prinz Jussuf und seine Gefährten.

Eva Atlan vom Jüdischen Museum hat Werke aus breit gestreutem Besitz in Frankfurt versammelt und die Kunsthistorikerin Ricarda Dick gewonnen, deren Forschung die Basis zu dieser Ausstellung legte. Im Katalog stellt sie ein umfassendes Werkverzeichnis vor und zeichnet die Entwicklung der Künstlerin nach. Die hatte in Berlin, wohin sie mit 25 Jahren kam, zuerst Zeichenunterricht genommen, sich danach jedoch dem Schreiben zugewandt. Dann aber ging ihren "Buchstaben die Blüte auf", wie sie es ausdrückte: In ihren Briefen tauchten zunehmend Sterne, Monde und andere Zeichen auf. Gerade in den Briefen, die für die neue Kritische Ausgabe umfassend erschlossen wurden, konnte Ricarda Dick verfolgen, welche Anregungen die Künstlerin aufgenommen hatte.

Else Lasker-Schüler entwickelte ihren Stil im Umfeld von Jugendstil und Expressionismus. Wichtige Impulse empfing sie von Franz Marc, mit dem sie künstlerisch gestaltete Postkarten austauschte. Sein "Turm der blauen Pferde" zeigte ihr die Möglichkeit des freien Bildaufbaus. Nun füllte auch sie Blätter mit übereinandergetürmten Gestalten.

Zur größten Inspirationsquelle wurde aber die altägyptische Kunst mit ihren zweidimensionalen Figuren im Profil. Auf diese Weise zeichnete die Lasker-Schüler ihren Prinz Jussuf, den sie aus dem Alten Testament und dem Koran herbeizitierte und zu ihrem Alter Ego machte; sie setzte ihm noch einen Fes auf den Kopf und machte ihn zum Herrscher in ihrem Phantasiereich Theben. Ob "Thebetaner", "Indianerinnen", "wilde Juden" oder Schlangentänzer, die Gestalten auf den kolorierten Blättern der Else Lasker-Schüler strahlen eine fast anarchische Energie aus.

Info Die Ausstellung im Jüdischen Museum Frankfurt am Main dauert bis zum 9. Januar 2011 (ab 21. Januar in der Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof in Berlin). Else Lasker-Schüler: Die Bilder (Ausstellungskatalog, hg. v. Ricarda Dick) sowie "Werke und Briefe", Kritische Ausgabe, sind im Jüdischen Verlag im Suhrkamp- Verlag erschienen.

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