Ballett Die Compagnie tanzt nach Offenbachs Pfeife

Düsseldorf · An der Deutschen Oper am Rhein wird „b.40“ erst bekichert und am Ende groß gefeiert.

 Paul Taylors „Offenbach Overtures“ mit dem Ensemble der Deutschen Oper am Rhein.

Paul Taylors „Offenbach Overtures“ mit dem Ensemble der Deutschen Oper am Rhein.

Foto: Gert Weigelt

Chili-Rot ist der Hintergrund, chili-rot die Uniform der Tänzer. Breitbeinig demonstrieren sie Imponiergehabe vom Feinsten. Stimmung! Im Ballett wird selten gelacht; zuweilen gibt es einen Grund zum Schmunzeln. Das liegt am Stoff, an der Musik und an der Dramatik der Ausdrucksformen. Bei der jüngsten Premiere des Ballett am Rhein jedoch kichert und prustet der ganze Saal, als das Ensemble nach Jacques Offenbachs Pfeife tanzt, die in Wirklichkeit eine Trompete ist, herrlich frech gespielt von Johannes Mielke, dem neuen Solo-Trompeter der Düsseldorfer Symphoniker. Mit „Offenbach Overtures“ von Paul Taylor endet der neue vierteilige Tanzabend b.40, aber man muss die Geschichte dieser Hommage an den American Modern Dance von hinten erzählen, weil sie in Düsseldorf eben dort ihre größte Sogkraft entfaltet.

Paul Taylor ist bereits 65 Jahre alt, als seine Choreographie „Offenbach Overtures“ 1995 in New York uraufgeführt wird. Die US-Metropole ist einst das Labor des modernen Tanzes gewesen. Dessen Drang zur Erneuerung befeuert damals auch den Spieltrieb des jungen Taylors. Mit Folgen: Virtuos schöpft er bis zu seinem Tod 2018 aus dem Fundus der klassischen Ballettkunst, um amüsiert davon zu erzählen, was er an den Menschen beobachtet. Offenbach, dessen 200. Geburtstag in diesem Jahr begangen wird, ist ihm ein Bruder im Geiste: Mutmaßlich heiter bringt der Grundton seiner Operetten und Opern eine ironische Betrachtung der Verhältnisse zum Schwingen und mündet nicht selten in einer schlagkräftigen Parodie derselben. Während sich Offenbach Militär und Bürgertum des Zweiten Kaiserreichs zur Brust nimmt, schaut Taylor auf die menschlichen Unsicherheiten im Allgemeinen – auf die Liebe, das Kräftemessen und die herzigen Neckereien. In „Offenbach Overtures“ gehen Musik und Choreographie eine ideale Verbindung ein. Es ist mit etwa 40 Minuten das längste Stück des Düsseldorfer Abends.

14 Frauen und Männer kommen zu Paaren zusammen, trennen sich, tauschen munter den einen gegen den anderen aus. Ein Paar erwärmt sich für die eine, die große Liebe des Lebens. Ein ausgelassenes Varieté-Bataillon erobert die Bühne, das in den Pariser Revuetheatern unzählige Gläser leert, bis der Schwips dem Unwohlsein weicht und Grenzüberschreitungen ihren Lauf nehmen. Das Ballett am Rhein übersetzt die fein austarierten Zustände in brillante Bewegungskunst. Grands Jetées, Fouettés, Pirouetten, Tour en l’air – das ganze Repertoire an Sprüngen und Drehungen gibt es zu erleben. Hinreißend ausgeführt von Tänzern, die als Luftwesen mit der Ballettperfektion ihren Schabernack treiben. Schöner hat man selten Menschen stolpern sehen. Die hochtalentierte Aleksandra Liashenko ist darin eine Meisterin.

Drei weitere Werke des Modern Dance werden in Düsseldorf gezeigt, Schöpfungen großer Künstler: „Pacific“ von Mark Morris, „Locus Trio“ von Trisha Brown und „Night Wandering“ von Merce Cunningham. Sie beschäftigt die Nähe zur Natur, der Tanz bar allen Zierrats und die unsentimentale Betrachtung des Daseins, nachdem im Zweiten Weltkrieg das Pathos herrschte. Den Blick des Publikums wollen sie Mitte des 20. Jahrhunderts weiten. Und heute? Klebt die Vergangenheit wie Zuckerguss an ihrer Wirkung. Man schaut interessiert, zumal auf Trisha Brown und die zarten Momente bei Cunningham, belebend jedoch sind allenfalls Details. Streckenweise ist dieser Teil der Vorstellung ermüdend. Die Zuschauer feiern den neuen Tanzabend, vor allem Paul Taylor und eine herausragende Compagnie.

Infos Operamrhein.de

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