Düsseldorf Im Stück "b.31" zeigt Martin Schläpfer, was Tanz ihm alles bedeutet

Düsseldorf · Auf gelackten Plateaustiefeln laufen die Tänzer auf ihr Publikum zu, der Blick hart, herausfordernd, die Haltung unnahbar. Laufsteg-Arroganz. Dazu die dunkle Stimme von Marla Glen, die so lässig von der Unbehaustheit singt, vom Leben für die Kunst, das eine endlose Reise ist. Mit selbstbewusster, cool gestylter Geste beginnt Martin Schläpfer seine wieder einstudierte und dabei neu geschaffene Choreografie "Obelisco", baut den ersten Abschnitt seiner einsam aufragenden Säule auf die Bühne, auf dass die Welt sehe, was Tanz für ihn bedeutet - in wie vielen Spielarten das Leben darin Ausdruck finden kann.

Höchst unterschiedliche Episoden werden folgen: In extremer, muskelgespannter Langsamkeit werden Tänzer zu zeitgenössischer Musik von Salvatore Sciarrino Bewegungen von klassischer Schönheit an die Dehnungsgrenzen führen. Marcus Pei wird in einem wundervoll innigen Solo Schuberts "Du bist die Ruh" in ein zartes, verletzliches Bewegungsspiel verwandeln. Marlúcia do Amaral wird über sieben Minuten ohne abzusetzen auf der Spitze tanzen, einsam, voller Stolz, voller Schmerz, am Rande des Leistbaren. Schließlich wird Yuko Kato mit Friedrich Pohl in ein Chambre separée tanzen, beide werden Lackschuhe mit ultrahohen Absätzen tragen und seltsam unschuldig wirken in diesem gestelzten Liebeswerben von Mensch zu Mensch. Schläpfer fügt verschiedene Brocken da zu einem wuchtigen Werk zusammen, baut einen Monolithen voll innerer Spannung. Und gleich zu Beginn des neuen Abends "b.31", der jetzt an der Düsseldorfer Rheinoper Premiere feierte, zeigt das Ballett am Rhein, mit wie viel Eleganz, Ausdruckskraft, Humor es durch den Körper sprechen kann.

Und dann lässt Hans van Manen vollkommene Ruhe folgen in seinem "Adagio Hammerklavier" zu Beethovens B-Dur-Klaviersonate Nr. 29. Er überführt darin das Ebenmaß der Klassik in die Gegenwart, lässt seine eigenen Bilder und Figuren in der Geradlinigkeit, Symmetrie und Präzision vergangener Epochen erscheinen: Das hat die Einfachheit und Schönheit eines perfekt gezogenen Kreises. Nichts zu viel, nichts zufällig, jede Bewegung hat innere Notwendigkeit; und doch wirkt diese Choreografie so licht und leicht, als sei sie dem Erschaffer an einem Frühlingsnachmittag einfach zugeflogen.

Nach dieser erfrischenden Visite in einem hellen Garten geht es mit den Haus-Choreographen des Nederlands Dans Theater, Sol León und Paul Lightfoot, in die aufgesetzt heitere Welt der Schellackplatten und 20er-Jahre-Revuen. Doch bevor die erste Musik erklingt, ist die erste Platte schon hängengeblieben. Ein Tänzer im weißen Anzug tritt am Bühnenrand auf und ab, setzt ein Showlächeln auf, das zur Maske gefriert. In komischen Nummern werden die Männer bald ihre Anzüge verlieren, werden irgendwann nackt auf der Bühne stehen und trotzdem alles daran setzen, dass die Show weitergeht. Während die Frauen in hochgeschlossenen Gouvernantenkostümen Synchronität zelebrieren. Das ist alles komisch an der Oberfläche, bitter im Abgang und dabei mit hohem Tempo und ganz eigener Verspieltheit choreografiert. Schließlich bleibt die Platte wieder hängen, die Tänzer werden zu mechanischen Puppen ohne Eigenleben. Am Ende ist kein Tanz mehr, nur noch Bewegung. Und die Zuschauer müssen zurück in diese Welt.

Termine und Karten Tel. 0211/8925211.

(dok)
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