Bibliothek des Klosters Maria Laach Im Paradies der Bücher
Sie gehört zu den formvollendetsten Bibliotheken des 19. Jahrhunderts: die "Jesuitenbibliothek" des Klosters Maria Laach. Ein Besuch auf alten Bücherspuren.
"Ich habe mir das Paradies immer als eine Art Bibliothek vorgestellt."
Jorge Luis Borges (1899-1986)
Und tatsächlich hat es in der Nacht davor geschneit. Ein bisschen nur. Aber es reicht, den Boden zu bedecken, die frostigen Äcker, das Seeufer - "... ein frischer weißer Schleier, kaum mehr als zwei Finger hoch". Worte meines Kopfkinos, die sich sofort Gehör verschaffen. Denn so beginnt "Der Name der Rose", mit der wintermorgendlichen Ankunft in der Abtei. Nur liegt unser Kloster nicht in Norditalien, wie bei Umberto Eco. Sondern in der Vulkaneifel, praktisch gleich um die Ecke. Doch um Bücher geht es hier wie dort. "Claustra sine bibliotheca sine armatura". Ein Kloster ohne Bibliothek: wie eine Feste ohne Waffen.
Knapp 40 Benediktiner leben heute in Maria Laach. Über ihre 260.000 Bücher wacht eine Frau, die 57-jährige Bibliothekarin Mechthild Langenbahn. Also kein blinder Abt wie im "Namen der Rose", also kein granteliger Jorge, der wie eine Spinne über die Handschriften wacht und in dem Umberto Eco dem gleichfalls blinden argentinischen Dichter Jorge Luis Borges ein geheimnisvolles Denkmal setzte.
Die Bibliothek, so haben wir es vom großen Eco gelernt, ist ein Labyrinth und darum nichts anderes als das Abbild der Welt. Maria Laach gibt sich überschaubarer, doch als Mechthild Langenbahn eine bestenfalls mittelprächtige Pforte aufschließt, ist der Besucher überwältigt. Von den vier eleganten Buch-Emporen. Von der gußeisernen Wendeltreppe in der Mitte des langen und himmlisch hohen Raumes. Und natürlich von all dem Wissen, den Erbauungen und den verewigten Glaubenszuversichten, die vieltausendfach dort versammelt sind. Neben der Theologie interessierten damals Medizin und Mathe, Biologie und Pädagogik. Der Anspruch war kein geringerer als der, eine Universalbibliothek über das Wissen der Welt einzurichten. Also geht man dementsprechend behutsam in den Saal, schaut aufs erste Buch linkerhand und entdeckt das "Lexikon der Frau". Sicher, auch das muss es geben. Fraglich bleibt nur, ob die Anschaffung damals medizinischen, biologischen oder pädagogischen Interessen geschuldet war.
Einen Giftschrank gibt es in Maria Laach natürlich auch, der seinem Namen nur sprichwörtlich Ehre macht und nicht wie bei Umberto Eco tatsächlich tödliche Wirkung hat. Auf einer der oberen Emporen wurde Verwerfliches verwahrt - also Werke rund um den Sex und Bücher von Luther. Zumindest die Schriften des Reformators konnten inzwischen reüssieren. Im Juni wird es im Kloster zum Reformationsjubiläum sogar die Ausstellung "Luther in Laach" geben.
Die Bibliothek ist viel jünger, aber auch versehrter als sie ausschaut. Denn über das 1093 gegründete Kloster und seine Bibliothek sind bisweilen ruppig die Stürme der Zeit hinweggefegt. Dabei begann alles wie bei Umberto Eco. Denn Bücher wurden in Laach nicht nur gesammelt, sondern in einem Skriptorium auch kopiert. Davon existiert heute nichts mehr. Im Zuge der Säkularisation wurde das Kloster 1802 aufgehoben und der Bücherbestand praktisch in alle Winde verstreut. Darunter auch die mittelalterlichen Handschriften. Franzosen waren zunächst die neuen Besitzer, dann wurde das Kloster Gutshof. Ein Brand zerstörte schließlich manche Gebäude 1855.
Die Rettung kam dann mit den Jesuiten. Das war 1862, als der Orden dort ein "Collegium Maximum" errichtete. Doch kein Studium ohne Bücher und keine Büchersammlung ohne Bibliothek. Also wurde jener wundersame Ort geschaffen, den wir zunächst nur zögerlich erkunden und der bis heute den Namen seiner Erbauer trägt - die Jesuitenbibliothek.
Die wissenshungrigen Mönche blieben nicht allzu lange am Laacher See. Der Kulturkampf zwang sie nur zehn Jahre später, das Kloster zu verlassen. Ihre Bibliothek füllte sich erst wieder mit der Wiederbesiedlung durch Benediktinermönche 1892. Durch Ankäufe und Schenkungen füllten sich die Regale schnell. Bereits um 1900 wurden 40.000 Bücher gezählt.
Die meisten Werke stehen heute nicht mehr in der Jesuitenbibliothek, sondern im ehemaligen Kuhstall. Der hat sich inzwischen zum High-Tech-Archiv verwandelt, in dem seit 2013 die Schätze aufbewahrt werden. So imposant die Zeugnisse alter Schrift- und Glaubenskultur auch sind - wie das um 1500 entstandene Kapitelsbuch mit Martyrologium, die Benediktinerregel und der Laacher Nekrolog -, so nüchtern ist die Stätte ihrer Verwahrung. Gut gesicherte, klimatisch unbedenkliche Metallschränke und Archivschuber im "Rara-Magazin" lassen jede Romantik vermissen.
Also lieber zurück zur älteren Jesuitenbibliothek, die vor zwei Jahren für gut 600.000 Euro auf Vordermann gebracht wurde. Jedes Buch wurde dabei abgestaubt, vermessen und der Bestand neu sortiert. Eine Heidenarbeit; oder eine für Bücherfreunde. Holzwürmer gab es auch. Für deren Beseitigung wurde die ganze Bibliothek für mehrere Tage auf 65 Grad Celsius erwärmt und den ungebetenen Gästen so der Garaus gemacht.
Zum Abschied ein letzter Gang über die Galerie. Es knirscht und knarrt. Das sind die einzigen Geräusche. Doch wer lauscht, wird seinen Verdacht bei Umberto Eco bestätigt finden. Dass nämlich "Bücher nicht selten von anderen Büchern sprechen, ja, dass es mitunter so ist, als sprächen sie miteinander".