Hörspiel im Kölner Theater

Köln Ein Mann wandert an der britischen Ostküste durch die Grafschaft Suffolk. Er lässt sich von den krummen Wegen durch die Landschaft leiten, beschreibt, welche Tonarten die Gegend in seinem Gemüt anschlägt, und verfolgt Spuren aus dem Territorium in die Vergangenheit. Und weil es W. G. Sebald ist, der über die Trümmer der Geschichte wandelt, dabei seine Eindrücke und Assoziationen selbst wieder schichtet zu einer schweren Collage, entsteht keine banale Reisebeschreibung, sondern eine Meditation über den Menschen und den ewig zerstörerischen Fortgang der Geschichte.

Es ist eine Anmaßung, Texte mit der poetischen Dichte und der Verweisungskomplexität eines W. G. Sebald auf die Bühne zu bringen. Denn es sind große, ernste Lesetexte, die absolute Zuwendung verlangen. Die britische Regisseurin Katie Mitchell wagt es in Köln dennoch mit einer Art Live-Hörspiel. Darsteller lesen Sebalds "Die Ringe des Saturn", erzeugen Geräusche dazu, im Hintergrund ist ein Krankenzimmer zu sehen, in dem der Autor in einem Bett ruht. Von dort werden immer mal wieder horrorhafte Videobilder auf die Rückwand der Bühne übertragen. Ansonsten sind dort Sequenzen zu sehen, die den Text bebildern: Meeresbrandung, Heidelandschaft, Grabsteine, Trümmer. Das alles ist virtuos arrangiert und ergibt eine Stimmung der Vergeblichkeit, der Trauer, die sehr gut zum Text passt. Doch entwickeln kann sich der Abend nicht. Trotz aller Bewegung der Geräuschemacher, die ausdauernd Schritte imitieren, Windmühlräder flattern lassen, wirkt der Abend statisch. Er muss so wirken, weil er sich ehrfürchtig dem Text unterordnet. Der Zuschauer aber ist verleitet, sich im Anblick des Treibens auf der Bühne zu verlieren. Er wird durch all die Zusatzreize zwar in die rechte Sebald-Stimmung versetzt, muss dann aber um Konzentration für den Text kämpfen. Wem es gelingt, der erlebt einen großen Abend.

(RP)
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