Theaterpremiere Hochhuth gönnt sich einen besonderen Geburtstag

Berlin (rpo). Mit einer Erstaufführung feiert der Dramatiker Rolf Hochhuth seinen 75. Geburtstag in Berlin: Am Samstag erlebt sein Kammerspiel "Nachtmusik" die Deutschlandpremiere. Da sich der Autor eher auf geschichtliche oder politische Stoffe und Themen wie soziale Gerechtigkeit spezialisiert hat, ist dieser "Mozart-Krimi um Liebe und Tod" eher untypisch für ihn.

Nachtmusik
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Uraufgeführt wurde das Stück bereits vor viereinhalb Jahren im schottischen Glasgow, danach war es auch in Salzburg zu sehen. Die Regie für die Berliner Aufführung im privaten Schlossparktheater übernimmt der Leiter des Theaters, Andreas Gergen. Auf der Bühne werden drei Schauspieler und ein kommentierender A-Capella-Chor stehen.

"Nachtmusik" folgt einer der Theorien zum Tode des Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart und dramatisiert in einem Psychogramm zwischenmenschlicher Gefühle die Tragödie der Magdalena Hofdemel, einer der drei Frauen, die dem Sarg des toten Mozart folgten. Am Tag von Mozarts Beisetzung gerät seine Geliebte und Schülerin Magdalena in eine Streit mit ihrem Mann. Sie gesteht ihre Untreue, er den Mord an dem berühmten Komponisten. Rasend vor Eifersucht geht er mit dem Messer auf sie los und tötet sich dann selbst.

"Hochhuths Kammerspiel kreist nicht nur um die Theorie, dass Mozart umgebracht wurde, es zeigt vor allem Mozart aus der Perspektive dreier Menschen, die ihm nahe standen: die liebende Frau, der eifersüchtige Freund, der kunstsinnige Kaiser", sagte Gergen. Sie alle offenbarten inmitten ihrer Verstrickungen ihr ganz privates Bild des Künstlers.

Hochhuth wurde am 1. April 1931 in Hessen als Sohn eines Schuhfabrikanten geboren. Nach der Mittleren Reife verließ er die Schule und machte eine Lehre im Buchhandel. Bis 1955 war er als Gasthörer an den Universitäten Heidelberg und München eingeschrieben. Im selben Jahr trat er als Lektor in den Bertelsmann-Lesering ein.

Seit Ende 1963 lebt Hochhuth als freier Autor. Mit seinem ersten Bühnenstück "Der Stellvertreter" gelang Hochhuth 1963 ein Welterfolg. Das Stück löste heftige Diskussionen und öffentliche Proteste aus, weil der damals noch unbekannte Autor darin die Frage wagte, ob Papst Pius XII. und die katholische Kirche durch ihr Schweigen eine Mitschuld an der Vernichtung der Juden während der Zeit des Nationalsozialismus trügen. Unter der Regie von Constantin Costa-Gavras wurde "Der Stellvertreter" 2001 verfilmt.

Feines Gespür für diskussionswürdige Stoffe

In seinem zweiten Stück "Soldaten, Nekrolog auf Genf" untersuchte er die Mitverantwortung des englischen Premiers Winston Churchill an den Luftangriffen auf deutsche Städte im Zweiten Weltkrieg. Auch in seinen folgenden Arbeiten, so zum Beispiel in "Juristen", "Ärztinnen" und "Eine Liebe in Deutschland", bewies Hochhuth ein Gespür für besonders diskussionswürdige Stoffe, die die öffentliche Meinung spalten. Sie brachten Hochhuth den Ruf ein, zwar einer der erfolgreichsten, aber auch umstrittensten deutschen Dramatiker der Nachkriegszeit zu sein.

Er selbst sieht seine Arbeiten als Themen und Stoffe von "moralischer Wichtigkeit". In seinem Stück "Wessis in Weimar" prangerte er 1993 das Gebaren der Westdeutschen, vor allem der Berliner Treuhandgesellschaft, gegenüber den ehemaligen DDR-Bürgern, an.

Aufsehen erregte Hochhuth auch mit seinem Stück "McKinsey kommt", das 2004 uraufgeführt wurde und die Themen Massenarbeitslosigkeit, Managermacht und Profitgier behandelte. 2005 überraschte der Dramatiker mit einem Gastauftritt in der täglichen RTL-Soap "Gute Zeiten, schlechte Zeiten", wenige Tage bevor sein ausschließlich mit Schauspielern dieser Serie besetztes Stück "Familienbande" am Theater Brandenburg Premiere hatte.

Im Februar machte der Streitbare Schlagzeilen mit seiner Kritik am Berliner Ensemble (BE). Als Hausherr der renommierten Berliner Bühne "kündigte" er dem nicht minder berühmten Intendanten Claus Peymann öffentlichkeitswirksam und forderte dessen Ablösung. Seit 1996 ist eine von Hochhuth gegründete Stiftung Eigentümerin der traditionsreichen Berliner Brecht-Bühne. Peymann ist jedoch nicht sein Angestellter, er konnte ihm also nicht wirklich kündigen.

Hochhuth ist verwitwet und lebt in Basel, einen Zweitwohnsitz hat er in Berlin. "In dieser Stadt haben Sie Theatergeschichte geschrieben", gratulierte ihm Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) zum Geburtstag. "Wir Berliner schätzen Sie als Autor, der nahe am Puls der Zeit agiert und mit seinem Werk so manchen produktiven Streit ausgelöst hat."

(afp2)
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