Ostern Überlebte Jesus die Kreuzigung?

Düsseldorf · Der Mittelalter-Historiker Johannes Fried versucht auch medizinisch zu belegen, dass Jesus nicht am Kreuz gestorben ist. Vielmehr sei er aufgewacht, nicht aber auferstanden.

„Was-wäre-wenn“-Fragen sind immer die spannendsten. Jene aber, die sich der renommierte Historiker Johannes Fried jetzt stellte – und auch zu beantworten versuchte –, darf man brisant nennen. Denn aus den Quellen vor allem des Johannes-Evangeliums stellt Fried die These auf, dass Jesus die Kreuzigung schlicht und einfach überlebt hat. Statt von den Toten auferstanden sei er nach der Tortur später aufgewacht und aufgestanden.

Das hört sich in dieser Kurzfassung weitaus verschwörungstheoretischer an, als es das neue Buch von Fried sein möchte. Natürlich müssen alle Versuche, historische Aussagen über das Ostergeschehen zu rekonstruieren, Annahmen und Deutungen bleiben. Doch ist der 76-jährige Historiker – der in Frankfurt mittelalterliche Geschichte lehrte und unter anderem mit dem Deutschen Historikerpreis sowie dem Sigmund-Freud-Preis geehrt wurde – zumindest um wissenschaftliche Nachvollziehbarkeit bemüht. Experten zog Fried hinzu, keine Theologen natürlich, dafür aber Biologen und Mediziner.

Zunächst einmal überraschte es Fried, dass Jesus , so die Evangelien, bereits nach wenigen Stunden vom Kreuz abgenommen und für tot erklärt wurde. Diese Art der Folter konnte sich auch über einen Tag hinziehen. Zudem Jesus nicht die Beine gebrochen worden, wie dies bei den mitgekreuzigten Verbrechern geschah.

Aber schließlich gab es doch den Lanzenstich des Soldaten, mit dem der Tod von Gottes Sohn bewiesen werden sollte! Hier beginnt die Geschichte zum Krimi zu werden, für den etliche Indizien bemüht werden. Der Lanzenstoß war nämlich gar kein Todesstoß, sondern lediglich eine Art „Kontrollstich“, bei dem Blut und Wasser aus der Wunde floss. Das genügt den römischen Kriegern. Was sie nicht wussten – aber Johannes Fried behauptet: Die Lanze war die eigentliche Rettung für Jesus.

Wie das? Der Stich traf nicht das Herz, sondern wiederum nach Johannes die „Pleura“, das Rippenfell. Dadurch wurde mit der Lanze eine Entlastungspunktion durchgeführt, die die Atemnot des noch lebenden Jesus linderte. Dass Jesus bei all diesen Torturen nicht reagierte und kein Lebenszeichen von sich gab, lag an einer „tiefen narkoseähnlichen Kohlendioxyd-Ohnmacht“, die bei einer Kreuzigung auftreten kann.

Wegen des bevorstehenden Sabbats wurde Jesus eilig vom Kreuz abgenommen, sein Leib gewaschen und in ein felsiges Grab gebettet, „dessen Kühle den Folterungsstress abklingen ließ“. Der Befund lautet nach dieser Indiziensammlung: „Der rettende Lanzenstich verhinderte – zwar brutal, doch wirksam wie eine rettende Kanüle – den Exitus“.

Im Gespräch mit uns sagte Fried: „Ich gehe davon aus, dass er tatsächlich das Kreuz wie das Grab überlebt hat und man ihm leiblich begegnen konnte und auch begegnet ist. Man kann die Evangelien ganz wörtlich nehmen und verstehen. Die Begegnungen der Jünger mit Jesus sind Begegnungen mit einem Überlebenden. Warum sollen das Visionen sein? Das muss man mir erst einmal beweisen. Jesus hat nicht den Tod überwunden, sondern das Kreuz.“

An Gegenstimmen mangelt es nicht. Einer von ihnen ist der Bochumer Theologe Thomas Söding, der die Beweisführung als eine „luftige Konstruktion“ bezeichnet, die einer wissenschaftlichen Prüfung nicht standhalten würde. Dabei steht Fried, der nach eigenen Worten in keinen unmittelbaren Konakt mehr zu einer religiösen Bewegung steht und sich selbst als „Agnostiker“ bezeichnet, genau in jener Wissenschaftstradition, die Wunder für unmöglich erklärt. Besonders im Zeitalter der Aufklärung und dem Versuch, die Welt zu begreifen und somit alle Phänomene rational erklären zu können, geriet die Auferstehung immer wieder ins kritische Blickfeld der Wissenschaftler. Weil damit nicht nur eine berühmte Episode in der Lebensgeschichte fraglich werden gemacht werden konnte.

 Eine Kreuzigungsdarstellung in Österreich.

Eine Kreuzigungsdarstellung in Österreich.

Foto: picture alliance / Roland Mühla/Roland Mühlanger

Die Auferstehung ist mehr als bloß ein Wunder, sie zählt zum Kern christlichen Glaubens: „Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige katholische Kirche ... Auferstehung der Toten / und das ewige Leben“, heißt  es im apostolischen Glaubensbekenntnis. Mit der Auferstehung hat Gott den Tod besiegt und damit auch die Gegenwart Christi bis heute erklärbar gemacht. Mit Frieds Thesen würde darum Entscheidendes im Glauben wegbrechen. Die Kirche wird mit dem Buch „Kein Tod auf Golgatha“ kaum erschüttert werden. Es dokumentiert aber die säkularen Kräfte unserer Zeit.

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