Mönchengladbach Heiligtumsfahrt mit Protestanten

Mönchengladbach · In Gladbach sehen 15 000 Pilger ein Tischtuch-Ende vom Letzten Abendmahl.

Die Heiligtumsfahrt, bei der alle sieben Jahre Pilger aus dem ganzen Bistum nach Mönchengladbach kommen, um die dann zugängliche Abendmahls-Reliquie zu bestaunen, ist seit langem für Überraschungen gut. 1974 öffnete man den Schrein gar nicht erst; Reliquien wurden damals für nicht mehr zeitgemäß befunden. 1979 wurde in den Hochchor des Münsters zum Frühstück geladen, was für einen mittleren Skandal sorgte. 2000 gab es im Beiprogramm eine rätselhafte Performance mit dem noch rätselhafteren Titel "Erz Vampir Gott erscheine saalnackt", die viele verstört hinterließ.

Alles nichts gegen 2014: Denn diesmal werden zum großen Abschluss der Pilgerwoche, die in ihrer Vielfalt längst mehr an einen regionalen Kirchentag erinnert, Bischof Heinrich Mussinghoff und der evangelische Superintendent des Kirchenkreises Gladbach-Neuss, Hermann Schenck, gemeinsam den Altar zum Gottesdienst decken. Und das an Fronleichnam, dem Prozessionstag, der das Trennende zwischen Katkoliken und Protestanten mehr betont als die meisten anderen Festtage. Mehr Ökumene geht nicht. Dass selbst die Reliquien-Verehrung als Rahmen für die Gemeinsamkeit beider christlicher Kirchen taugt, ist ein starkes Zeichen und spannende Umsetzung des Mottos "Du deckst mir den Tisch".

30 mal 60 Zentimeter groß ist das Stück Stoff, das der Überlieferung nach beim Letzten Abendmahl auf dem Tisch gelegen haben soll. Seit Jahrhunderten wird es höchstens alle sieben Jahre hervorgeholt. Es ist dem Oberbürgermeister vorbehalten, den prächtigen Schrein, in dem das Tuch seit 1895 aufbewahrt wird, zu öffnen. Als er dies jetzt im Eröffnungsgottesdienst tat, wagte niemand im übervollen Münster zu hüsteln oder zu rascheln. In einer mit Siegellack verschlossenen leuchtend roten Ledermappe liegt das Stück Stoff, in Seidentücher eingewickelt. Nun ist es in einer Glasvitrine im Münster ausgestellt.

Das Beiprogramm umfasst 60 Veranstaltungen - erstmals einige in evangelischen Kirchen - und bietet musikalisch, liturgisch, in Vorträgen und Aktionen Beachtliches. Samstag begeisterten Keyboarder Dieter Falk und seine Söhne Max und Paul mit modernen Interpretationen von Bach und Händel. Falk improvisierte auf Zuruf der Zuhörer zu Liedern aus dem Gotteslob. Gestern gab es gänzlich andere Moderne: Münsterchor und Junges Vokalensemble gestalteten zum Vitusfest die "Mönchengladbacher Münstermesse zu Ehren des Heiligen Vitus" des zeitgenössischen Komponisten Rüdiger Blömer.

Mehrere hundert Mönchengladbacher, darunter viele Bedürftige, machten anschließend aus dem Gladbacher Abteiberg eine riesige Open-Air-Tafel. An den Tischen, die sich rund um das Münster zogen, gab es Gulaschsuppe, Minestrone und Würstchen.

Ein wunderbares, lebendiges Bild, das den Eindruck der ersten drei Tage abrundete: Diese Heiligtumsfahrt ist feierlich, impulsgebend und geerdet zugleich.

www.heiligtumsfahrt.de

(RP)
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