Harry Potter wird erwachsen

Gruselfilm "Die Frau in Schwarz" mit Daniel Radcliffe

Da sitzt er wieder in einem Zug mit Dampflok und rumpelt einem Abenteuer entgegen: Daniel Radcliffe, der keine Nickelbrille aufhaben muss, um wie Harry Potter auszusehen. Er will die Rolle seines Lebens hinter sich lassen, doch hat er sich für sein Debüt der Post-Potter-Ära einen Geisterfilm ausgesucht, der Anfang des 20. Jahrhunderts spielt und somit ähnlich nostalgisch wirkt wie seinerzeit das Zauberlehrlings-Internat.

Natürlich ist das geschickt, denn so stößt Radcliffe seine Fans nicht vor den Kopf, er fügt sich prima in das Ambiente von "Die Frau in Schwarz", ist ein sympathischer junger Advokat und Witwer mit kleinem Sohn, der in die Provinz geschickt wird, um das Erbe einer alten Dame abzuwickeln. Vor allem soll er deren herrschaftliches Haus am Rande eines Sumpfes verkaufen. Bald geht es in diesem Haus allerdings gruseliger zu als jemals auf Hogwarts. Türen schlagen, Kerzen zittern, Spielzeuge plärren plötzlich los – "Die Frau in Schwarz" ist ein klassischer Geisterfilm mit den bekannten, aber eben auch bewährten Schreckmethoden. Und weil Radcliffe so ein unschuldiges, glattes Gesicht hat und so ein beflissener, eifriger Typ ist, eignet er sich hervorragend, um das Opfer eines tyrannischen Geistes zu werden.

Allerdings hatte der Film vielversprechender begonnen, mit einer wirklich gespenstischen Szene, in der drei unschuldig spielende Mädchen plötzlich von einer dunklen Macht angezogen werden und aus dem Fenster stürzen. Da dachte man kurz, dass hier ein wirklich fieser Horrorfilm seinen Anfang nimmt, in dem süße Biedermeierlichkeit böse zerstört wird. Doch "Die Frau in Schwarz" dekliniert nur ein weiteres Mal die Regeln des Geisterfilm-Genres durch. Das ist alles stimmungsvoll in Flackerlicht getaucht, doch ist die Schreckfrequenz gegen Ende so hoch, dass man ein wenig müde wird, Radcliffe beim tapferen Luftholen vor der nächsten Panikattacke zuzusehen.

Mit "Die Frau in Schwarz" gelingt ihm ein solider Übergang ins Schauspielergeschäft, das er trotz seines Harry-Potter-Vermögens ernsthaft betreiben will. Dass er ein Charakterdarsteller ist, den man vermissen würde, hat er noch nicht bewiesen. Aber womöglich ist das auch eine Lebensaufgabe. lll

(RP)
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