Ausstellung in der Kunsthalle Das Recht auf ein bisschen Glück

Düsseldorf · In der Kunsthalle Düsseldorf wurde der Ausstellungstitel „Happiness Is a State of Mind“ wegen des Kriegs in der Ukraine durchgestrichen. Dabei vermag die feinsinnige Schau auch in Krisenzeiten Gemüter beruhigen und Trost spenden.

 Farbenfreude prägt die Ausstellung „„Happiness Is a State of Mind“ in der Kunsthalle.

Farbenfreude prägt die Ausstellung „„Happiness Is a State of Mind“ in der Kunsthalle.

Foto: Katja Illner

Es ist die Geschichte von einem, der auszog, das Glück zu suchen. Der Kunsthallendirektor hatte es satt, weiter in der Corona-Tristesse zu darben. Die Trübsal der vergangenen zwei Jahre sollte sich in einem Fest der Freude auflösen. 13 Künstlerinnen und Künstler mit Lebensbezug zu Düsseldorf, zwischen 27 und 84 Jahre alt, darunter prominente wie Jungstars, wurden eingeladen. Der Plan: eine illustre Schau, gemixt aus Malerei, Installation, Bildhauerei.

Dann kam der Ukrainekrieg. Und Gregor Jansen entschied gemeinsam mit der Künstlerschaft und den Kuratoren, wenn auch nicht die Schau, so doch den Titel zu streichen, genauer: durchzustreichen. Lesbar ist „Happiness Is a State of Mind“ (Glück ist ein Gemütszustand“) zwar noch immer, aber eben mit einem Strich durch alle Buchstaben. Soll heißen: Es ist nicht mehr so, wie es einmal gedacht war. Auch das titelgebende heitere Großplakat von Dietmar Lutz wurde von der Kunsthallenfront entfernt. Nur eine leere Fläche ist da jetzt zu sehen, garniert mit dem durchgestrichenen Titel.

Womöglich war dies eine Überreaktion. Weil selbst in schlimmsten Zeiten das Recht auf Glück weiterbesteht, auf kleine, allerkleinste Momente, die die Menschen motivieren, weiterleben zu wollen. Gerade jetzt, möchte man mahnen, brauchen wir kleines Glück. Und da ist die Kunst hilfreich, sie ist der perfekte Glückslieferant, lässt man sich nur drauf ein. Einen besseren Trost finden wir kaum, keinen ehrlicheren.

Die Schau in der Kunsthalle beweist das. Man durchschreitet farbglühende Räume, man darf hochschauen zu episodenhaften Wandmalereien, die vom friedlichen Leben berichten, oder hinabschauen auf eine total konstruierte Welt, die labyrinthisch das Orientierungsvermögen beschäftigt. Farbe ist ein maßgebliches Stimulans, ob wir Düsteres empfinden oder Ekstase zulassen. Formen beruhigen, begeistern oder beschwichtigen uns, Leerstellen regen an – überhaupt sagen die Künstler in seltener Einigkeit: Wir wollen Assoziationsketten auszulösen. Das Kunstwerk wird erst mit dem Akt der Betrachtung komplett.

Beim Entree gelingt die von Jansen so bezeichnete „tolle Ouvertüre“: Malerische Positionen konkurrieren in einer aufregend breiten Skala. Laura Aberham (Jahrgang 1994) ist die Jüngste, die auf der Bildfläche allerlei Techniken vereint, um zuletzt den breiten Pinselschwüngen noch eine Spraykrone aufzusetzen. In gestischer Abstraktion entfaltet sie ein vibrierendes Tableau. Gegensätzlicher könnten die sparsam gesetzten Acrylbilder von André Niebur nicht sein. Wenige, gekonnt gesetzte Striche, hohe Assoziationskraft. Gregor Jansen will einen Hund entdecken, der auf dem Kopf steht und an einer gelben Blume riecht. Ganz anders malt Tatjana Valsang, deren geheimnisvolles Gemälde die schwarzen Schatten und die goldenen Schimmer zu verschmelzen vermag.

Über all dem der heitere Tanz des Lebens. Ein viele Meter langes erregendes Leporello von Dietmar Lutz, das sich aus gefundenen und persönlichen Bildern speist. Das extremste Beispiel von Malerei liefern Hedda Schattanik & Roman Szczesny mit ihrer komplexen Arbeit „Auf dem Weg zum Flughafen“. So kann Malerei den Computer anheizen, eine total verrückte, gerenderte Welt umgibt ein zentriertes Auge – hier unbedingt den QR-Code aktivieren! Martin Pfeifle hat nicht gemalt, sondern Farbe in aus LKW-Planen geschnittenen Streifen verarbeitet, einen Raum des emotionalen Dreiklangs angelegt. Sein „HAW-Pavillon“ hat eine Tournee hinter sich und verwickelt jetzt die Betrachter in die Standortsuche.

Immer wieder neue Standorte und Standpunkte gewinnt der Besucher im Obergeschoss. Auch hier begegnen wir Künstlerpersönlichkeiten, einer Wucht an Positionen. Jan Albers versperrt den Zutritt mit bautechnischen Zäsuren, er hat einige seiner Großreliefs mit Schautafeln umgeben, selbst unter der Plexiglashaube brodeln und bröckeln und zerbersten sie. Immer auf der Flucht vor der Malerei, im Verlangen, neue Türen aufzustoßen, setzt er Kettensäge und Hammer ein, auch Ätze – kein Wunder, dass sich aus einer Arbeit das Inferno herauslesen lässt. Dann wieder ein Kontrast - Erika Hocks Fadenarbeiten, die vor jedem allerkleinsten Luftstrom vibrieren und sich als Wandbild wie als Rauminstallation entfalten. Über allem schwebt mit kritisch-politischem Sinn und collagierten „Deklinierungen“ Chris Reinecke (Jahrgang 1936), die sich der Frage widmet, was Kunst kann.

Betörend, fast zu schön und ungeheuer zart ist die Malerei der erfolgreichen Vivian Greven, die Münder beim Küssen zeigt, Trennung und Verschmelzung untersucht. Farbe wird hier physisch erfahrbar, was Kollege Jörn Stoya noch zu steigern vermag. Für diesen Maler (Jahrgang 1957) ist wie für seinen verstorbenen Akademieprofessor Gotthard Graubner alles Farbe. Die Farbe allein, die er in Form des reinen Pigments aufträgt, bedeutet Welt und Herz, Kopf und Schmerz. In ihrem total abstrakten Tanz durchglühen Stoyas Farben energetisch den ganzen Raum.

Damit schließt sich der Bogen. Unser Glück ist die Freiheit der Kunst. Sie liefert Fundorte für Träume, ein Netz für Ängste. Selbst in Zeiten eines grausamen Krieges, wo in diesen Tagen ein leeres Ausstellungsplakat auf der einen Seite des Grabbeplatzes in eine großartige Ausstellung hineinzieht und auf der anderen Seite auf der Fassade der Kunstsammlung in XXL-Lettern „Stop War“ prangt.

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