Grandioser Prokofjew in Köln

Köln Die Kölner Oper bleibt auf Erfolgskurs. Dem aufsteigenden Haus ist nun zum Saisonstart mit einer Rarität erneut ein Volltreffer geglückt: Sergej Prokofjews Monumentaloper "Krieg und Frieden" nach Lew Tolstois berühmtem Roman. Das Werk fand nie ins Repertoire, denn es galt bislang als ungenießbar.

Kurz nachdem Prokofjew 1941 mit der Komposition begonnen hatte, marschierten die deutschen Truppen in Russland ein. Die Parallelität zwischen dem Einmarsch Napoleons im Roman und dem Einmarsch der Deutschen hatte Konsequenzen für die eigentlich als Kammerspiel geplante Oper, denn Stalins Kulturbürokratie forderte Prokofjew immer neue Änderungen ab. So rückte unfreiwillig die Feier des vaterländischen Kriegs in den Mittelpunkt des Opern-Monsters.

Am Kölner Opernhaus hat Regisseur Nicolas Brieger Prokofjews fünfeinhalb Stunden nun kräftig gekürzt, um die ursprünglichen Absichten des Komponisten wieder freizulegen. Immer noch 34 Solisten verzeichnet der Besetzungszettel in der Kölner Fassung. Dennoch sieht man nun über weite Strecken nun ein subtiles Kammerspiel.

Brieger hat die kommentierenden, heroischen Chöre und die zentrale Figur des Feldmarschalls Kutusow, in der die Rezeption Josef Stalin zu erkennen glaubte, ersatzlos gestrichen. Der riesige Bühnenraum ist in die Tiefe mit verschiebbaren Wänden gestaffelt, die in ständiger Bewegung sind, immer neue Perspektiven freigeben und den Blick auf Nebenhandlungen erlauben. Der Filmmusik-Komponist Prokofjew hat hier tatsächlich durchgängig filmisch gedacht und sowohl dramaturgisch als auch musikalisch mit Überblendungstechniken und schnellen Schnitten gearbeitet, die Brieger grandios umsetzt. Vor dem Hintergrund opulenter Massenszenen und klug gebündelter Handlungsstränge gelingt es Brieger meisterhaft, die drei zentralen Figuren präzise herauszumeißeln.

Erstklassig besetzt ist das ganze, riesige Ensemble. Allen voran Olesya Golovneva als ballerina-anmutige Natascha mit glühendem Sopran, Matthias Klink mit durchschlagskräftigem Tenor als zweifelnder, idealistischer Pierre und Johannes Martin Kränzle mit farbenreichem Bariton als melancholischer Bolkonski. Im Graben sorgt Michael Sanderling mit dem Gürzenich-Orchester in Bestform für feinste Nuancen, Durchhörbarkeit und dramatische Wucht, ohne ins Bombastische herauszuplatzen.

Eine packender Abend, eine faszinierende Wiederentdeckung und: ganz großes Kino!

(RP)
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