Düsseldorf "Göttlich verdammt" – ein literarischer Marketingerfolg

Düsseldorf · Ganz sicher ist man sich nicht, ob das nun tatsächlich die Autorin ist, deren Videobotschaft man gerade empfängt; oder ob es sich nicht doch eher um ein amerikanisches Cheerleader-Girl handelt, das zufällig ein Buch in der Hand hält. "Hallo Germany", sagt Josephine Angelini und lacht und winkt sehr fröhlich in die Kamera, wie man es vielleicht in amerikanischen Vorgärten bei der Verabschiedung von Gästen macht. Sie lacht überhaupt sehr viel, zeigt immer wieder dieses Buch, "I love it", flötet sie und ist über den Erfolg ziemlich "impressed" und generell "really touched". Im Bildhintergrund ist auch keine der bei Autoren obligaten Bücherwände zu sehen, sondern ein üppig dimensionierter Flachbildschirm. Auch so werden Hemmschwellen für Literaturmuffel niedrig gehalten.

In einer Minute und 42 Sekunden ist dann der Spuk vorbei; nicht aber das Phänomen dieser geglückten Vermarktung des Debütromans "Göttlich verdammt". Denn die Lizenz für die Teenie-Liebesgeschichte zwischen Helen und Luca – die irgendwann auch erfahren, dass sie von Halbgöttern abstammen – wurde in 20 Länder verkauft und die Autorin mit dem Vorschuss von einer Million Dollar bedacht.

Diese Zuversicht der Marketingexperten speist sich aus der offenbar überzeugenden Strategie des Romans, der aus vielen früheren Teenie-Bestsellern schöpft und das klassische und zahlreiche "Twilight"-Publikum zu bedienen beziehungsweise als Käufer und Leser zu ködern hofft.

Auch in Deutschland hat es "Göttlich verdammt" schnell auf die maßgebliche "Spiegel"-Bestsellerliste gebracht. Die Verkaufszahl liegt bei derzeit rund 50 000 Exemplaren. Wobei der Bucherfolg sich aus verschiedenen Quellen speist: So hat "Göttlich verdammt" in kurzer Zeit auf Facebook ein paar tausend Fans gesammelt; zudem hat der Dressler-Verlag eigens die dreiköpfige Mädchen-Band Demi Goddess gecastet, die mit Helens Lieblingslied "Where do I belong" auf Youtube zu sehen und zu hören ist: ein Herz-Schmerz-Song mit kräftigem Indie-Rocksound unterlegt, der den zarten Englischkenntnissen und heftigen Gefühlslagen von Heranwachsenden gerecht wird: "I'm so alone at home / Everything feels cold as stone / When white turns into black / Lonelyness a sideeffect", heißt es darin. Über 25 000- mal wurde das Musikvideo bisher angesehen. Ein musikalischer Buch-Trailer in drei Minuten 50, den eine 35-köpfige Crew im Hamburger Hafen und am Strand von St. Peter-Ording produzierte. Zudem gibt es zum Roman noch ein Götter-Quiz im Internet, bei dem es auch um die Frage geht, ob der Olymp tatsächlich existiert. Und bei einem weiteren Gewinnspiel – gesponsert von einem bekannten Hersteller für junge Moden – gab es jüngst ein iPad in Gold zu gewinnen.

Es wird viel getan für das Buch – und das Meiste findet jenseits der Literatur statt. Auch deshalb, weil "Göttlich verdammt" in seiner naiven und klischeegesättigten Poesiealbumsprosa nicht ernsthaft zu rezensieren ist. Das leisten stellvertretend schon die jugendlichen Leser in den Online-Portalen mit Kommentaren wie diesem: "Zu diesem epischen Meisterwerk der Autorin Josephine Angelini lässt sich nur sagen: "W-o-w! Ich liebe es!"

"Göttlich verdammt" ist keine Frage der literarischen Qualität, sondern Ausdruck des Lebensgefühls junger Menschen. So ist es auch nicht angemessen, das "göttliche" Buch nun zu verdammen. Vielmehr könnten Verleger von vermeintlich nachhaltiger Literatur darüber nachsinnen, ob sich beizeiten auch für sie neue, ungewöhnliche und angemessene Wege der Vermarktung lohnen würden – zum Wohle ihrer Bücher.

(RP)
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