Gipfeltreffen der Madonnen

Vor fast 500 Jahren verließen sie Raffaels römisches Atelier, jetzt sind sie erstmals wieder vereint: das Madonnenbildnis aus der Dresdner Gemäldegalerie Alte Meister und dessen Zwillingsbild aus dem Vatikan. Anlass ist der bevorstehende Besuch des Papstes in Deutschland.

Dresden Als Goethe erstmals die Dresdner Gemäldesammlung betreten hatte, goss er seinen Eindruck in die vielzitierten Worte: "Meine Verwunderung überstieg jeden Begriff, den ich mir gemacht hatte." Schon Goethe erblickte dort Raffaels "Sixtinische Madonna". Er erwähnte sie in der Strophe eines Gedichts und spielte in der Schlussszene des "Faust" darauf an. Heute kennt jeder dieses Gemälde, und sei es nur im Ausschnitt: Die neckischen Putten am unteren Bildrand haben sich millionenfach auf Plakaten, Sammeltassen und Schlüsselanhängern verbreitet.

Diese seit Jahrhunderten bewunderte "Sixtinische Madonna" wird nun erneut Staunen wecken, denn sie steht im Mittelpunkt einer Ausstellung, die sie nach fast 500 Jahren wieder mit ihrer Zwillingsschwester vereint. Damals befanden sich beide ausladenden Gemälde im römischen Atelier des großen Raffael (1483–1520), der sie hervorgebracht hat. Der Zwilling trägt den Titel "Madonna von Foligno" und entstand unmittelbar vor der "Sixtinischen Madonna". Das Bild zeigt die Muttergottes mit dem Kind auf dem Arm, auf Wolken sitzend und vor einer Sonnenscheibe. Darunter sieht man die Heiligen Johannes den Täufer und Franziskus sowie den heiligen Hieronymus und den Auftraggeber des Bildes, Sigismondo dei Conti.

Das Werk fand einen Platz auf dem Hochaltar der römischen Basilika Santa Maria in Aracoeli. 1564 wurde es aus der Kirche entfernt. Die Nichte des Auftraggebers brachte es nach Foligno (daher der Name) und stellte es dort in der Kirche der heiligen Anna auf. 1797 stand das Gemälde auf der Liste der napoleonischen Beschlagnahmungen und wurde nach Paris verfrachtet. Dort übertrugen Fachleute die Farbschicht vom Holz auf Leinwand. 1815 brachten die Franzosen das Werk aufgerollt zurück in den Vatikan. Der Papst erwarb es und stellte es in der Vatikanischen Pinakothek aus, wo es bis heute beheimatet ist. Bislang wurde es nicht ausgeliehen.

Aus guten, konservatorischen Gründen hätte sich daran auch nichts geändert, wäre nicht Papst Benedikt XVI. auf den Gedanken verfallen, das Bild aus Anlass seines bevorstehenden Besuchs in Deutschland der Dresdner Gemäldegalerie Alte Meister als Leihgabe zur Verfügung zu stellen, auf dass es erstmals wieder neben dem Zwillingsbild aus dem Vatikan zu sehen ist. Solche Zusammenführungen bilden oft Höhepunkte in großen Ausstellungen zu Alten Meistern, auch in der Schau "Gesichter der Renaissance", die zurzeit in Berlin Besuchermassen anlockt.

Wie die "Madonna von Foligno" gelangte auch die "Sixtinische Madonna" auf Irrwegen an ihren Standort. Ursprünglich für die Kirche in Piacenza in Auftrag gegeben, fand das Werk Eingang in die Kunstkammer des sächsischen Kurfürsten August III. Nach dem Zweiten Weltkrieg schaffte Stalin das Bild nach Moskau. Drei Jahre nach dem Tod des Diktators gaben die Russen es nach Dresden zurück.

Das Gipfeltreffen der Madonnen umfasst noch mehr Schätze. Der Titel nennt einen Teil: "Himmlischer Glanz. Raffael, Dürer und Grünewalt malen die Madonna".

(RP)
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