Düsseldorf Gesungene Liebeserklärung an Düsseldorf

Düsseldorf · Das Musical "95 olé - Heimspiel" hatte im Düsseldorfer Schauspielhaus Premiere. Chöre und Fußballer führten ein Stück auf, das nicht nur vom Club "Fortuna" erzählt. Auch die Lebenswelt Heranwachsender wird thematisiert.

Schon nach dem ersten emotionalen Lied war der Saal im Sturm genommen: "Zu Hause sein"- das klang derart inbrünstig von der Bühne des Großen Hauses im Düsseldorfer Schauspielhaus, dass es keinen im ausverkauften Theater unberührt ließ. Mit Klatschen und Johlen quittierten die Premieren-Zuschauer die gesungene Liebeserklärung an Düsseldorf.

Im Musical "95 olé - Heimspiel" lernen wir Jakob und seine Freunde kennen. Sie wohnen gern in ihrer Stadt, schwärmen vom Fernsehturm, der Brücke und dem Rhein. Es ist der Tag des Spiels gegen Leipzig, "die Lappen". Ohne Wissen ihrer Eltern machen sich die Zehnjährigen auf den Weg zum Stadion von Fortuna Düsseldorf und erleben mancherlei Abenteuer.

Ein Fußball-Musical allein ist das gut einstündige Werk aber nicht. Regisseurin und Autorin Ines Habich greift mehrere Themen auf, die Heranwachsende bewegen. Mit großem Einfühlungsvermögen lauschte sie ihre Geschichten der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen ab und durchsetzte sie mit trockenen Pointen. Was, den Fußball-Club Fortuna gibt es schon seit 1895? Schlagfertiger Kommentar: "Das heißt, dass der richtig gut ist!"

Einige der Texte verarbeitete Komponistin Barbara Beckmann zu Songs. Zur Live-Musik auf der Bühne, durchweg eingängig, angenehm dezent und dennoch mitreißend, sangen und tanzten Dutzende von Mitgliedern des Düsseldorfer Mädchen-Chors und des Düsseldorfer Jungenchors. Bei "95 olé - Heimspiel" kooperierten die Chöre unter Leitung von Produzentin Stefani Kleeberg mit dem Förderverein des Nachwuchsleistungszentrums von Fortuna, der Fußballklasse der Ratinger Martin-Luther-King-Schule und dem Düsseldorfer Schauspielhaus.

Die echten Kicker in ihren roten Trikots spielten erfrischend mit. Ihr hartes Training aber, auch das wurde deutlich, ist alles andere als ein Zuckerschlecken. Die gerappte Botschaft von einem, der es vom Spieler zum Trainer geschafft hat, kam herüber: Mit Biss, Disziplin und Verzicht kann man es weit bringen.

Ines Habich und Barbara Beckmann geben unterschiedlichen Grüppchen Stimme und Raum. Da ist einmal die Mädchen-Clique, die sich seufzend nach dem Traumboy verzehrt: "Warum gibt's dich nicht in echt?" Da ist das Liebespaar, das seine Gefühle mit Gezicke zudeckt, bis die Schmetterlinge endlich fliegen und die roten Lämpchen glühen. Die Streberinnen ("Wir sind eine Lerngruppe") lehnen sich hochmütig aus dem Fenster und haben nur ihr Latein im Kopf. Doch dann reden sie sich den Frust über ihre Lehrer von der Seele und sind zum ersten Mal aufmüpfig. Die Rebellen unter den Jungs, genervt von den strengen Regeln der Eltern, empören sich lautstark: "Wir haben die Schnauze voll, auch mit zehn ist man ein Mensch." Und schließlich mischen noch die schnoddrige Parkdeckgang und die beflissenen Weltverbesserer mit, die gegen Krieg und Atomkraft ins Feld ziehen und sich von den Fans im Stadion Unterstützung erhoffen. Die etwas aufgesetzten Reminiszenzen an Christian Wulff ("Haus weg, Frau weg, Job weg") wären entbehrlich, sollen aber wohl eine zweite Chance für jeden Menschen einfordern.

Zuletzt stehen sie alle vor den Toren des Stadions und sammeln sich zum letzten Lied. Und das ist erst recht ein Volltreffer. "Heimspiel, jeden Tag" mündet in den schwungvollen Refrain "Düsseldorf in Rot und Weiß", der sich spätestens nach der Zugabe wie ein Ohrwurm einnistet.

Die Zuschauer im Schauspielhaus, angesteckt von der Kameradschaft auf der Bühne, begeistert von der bravourösen Leistung aller Beteiligten und berauscht von der versöhnlichen Fortuna-Hymne, sprangen bei der Premiere von den Sitzen. Die Gesänge, noch befeuert von der beseelten Dirigentin Justine Wanat, wollten nicht enden. Das Musical "95 olé - Heimspiel" wurde mit frenetischem Applaus überschüttet. Es bescherte dem Großen Haus endlich wieder die Atmosphäre, die man dem Düsseldorfer Theater häufiger wünschen würde.

(RP)
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