Nachruf Georg Ratzinger Ein ganz Großer seines Fachs

Regensburg · Der ehemalige Regensburger Domkapellmeister Georg Ratzinger ist verstorben. Der Bruder von Papst Benedikt XVI. wurde 96 Jahre alt. Im Leben Georg Ratzingers gab es auch eine Schattenseite: Wenn die Domspatzen probten, wurde er mitunter zum um sich schlagenden Choleriker.

 Georg Ratzinger 2010.

Georg Ratzinger 2010.

Foto: dpa/Armin Weigel

Vor einigen Tagen trafen die Brüder noch einmal aufeinander. Josef Ratzinger, der emeritierte Papst Benedikt XVI., war unter großen Mühen nach Regensburg gereist, um den drei Jahr älteren Georg zu sehen. Gemeinsam feierten sie die Heilige Messe, genossen die Zeit miteinander. Allen Beobachtern war klar: Mit dem ehemaligen Regensburger Domkapellmeister Georg Ratzinger geht es zu Ende. Seit Jahren war er nahezu blind, auf den Rollstuhl angewiesen, am Ende bettlägerig. Am 1. Juli ist er 96-jährig in Regensburg gestorben.

Am selben Tag wie sein Bruder Josef war Georg Ratzinger 1951 vom damaligen Münchner Erzbischof Michael von Faulhaber zum Priester geweiht worden. Doch während Josef den Weg der akademischen Theologie einschlug, widmete sich Georg der Kirchenmusik – und wurde einer der Großen seines Fachs. Als Domkapellmeister leitete er von 1964 an die Regensburger Domspatzen. Dass der Knabenchor heute weltberühmt ist, ist auf das 30jährige Wirken Georg Ratzingers zurückzuführen. Unter seiner Leitung hielt moderne Kirchenmusik Einzug bei den Domspatzen, doch auch die Gregorianik wurde gepflegt. Und wie es im Vorwort von Georg Ratzingers Buch „Mein Bruder, der Papst“ heißt, stellte sich Josef Ratzinger – vor der Papstwahl – auf Empfängen als der „kleine Bruder des berühmten Chorleiters“ vor. „Konzertsäle konnte er in Gebetshäuser verwandeln“, würdigte der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer Georg Ratzinger am Mittwoch.

Doch im Leben Georg Ratzingers gab es auch eine Schattenseite: Wenn die Domspatzen probten, wurde er nicht nur zum Perfektionisten, sondern zum um sich schlagenden Choleriker. Ehemalige Chorsänger berichteten einst im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ darüber, dass Ratzinger sogar mit Stühlen nach Chormitgliedern geworfen habe. 2010 räumte Georg Ratzinger selbst ein, Ohrfeigen verteilt zu haben. Und im Abschlussbericht über die Missbrauchsvorwürfe bei den Regensburger Domspatzen heißt es, dass der Domkapellmeister zu oft weggeschaut habe. „Kraft seines Amtes hätte er aufmerksamer hinschauen und handeln können“, sagte der damalige Ermittler Ulrich Weber über Ratzinger. Außerhalb der Chorproben hingegen wurde der Theologe als liebevoll und fürsorglich beschrieben. Viele ehemalige Sänger hielten noch lange Kontakt zu ihm.

Und auch das Verhältnis zu seinem Bruder blieb von den Vorwürfen gegen Georg unberührt. Eng und herzlich waren die beiden Brüder einander verbunden. Auch als Josef als Kardinal nach Rom ging, schließlich Papst wurde, besuchten sich beide immer wieder, verbrachten gemeinsam ihren Urlaub, besonders nach dem Tod der gemeinsamen Schwester Maria 1991. „Wir wussten, dass wir von nun an nur noch uns beide hatten, unsere Familie war wieder um eines ihrer Mitglieder ärmer geworden“, schrieb Georg Ratzinger 2011. Seit gestern ist Josef Ratzinger nun ganz alleine. Ob der ehemalige Papst zur Beisetzung seines Bruders nach Deutschland reisen wird, oder diese in seiner Nähe, in Rom, stattfinden wird, war am Mittwoch noch nicht bekannt.

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