Gastbeitrag Die neue Oper – und viele offene Fragen

Düsseldorf · Rund um das Bauprojekt der Stadt ist für Jochen Molck noch zu viel im Unklaren. Der Dozent an der Hochschule Düsseldorf wünscht sich in seinem Gastbeitrag präzisere Angaben zu Konzept und Finanzierung.

 Gastautor Jochen Molck engagiert sich im Rat der der Künste Düsseldorf.

Gastautor Jochen Molck engagiert sich im Rat der der Künste Düsseldorf.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)/Bauer, Hans-Jürgen (hjba)

Wenn ich Kolleginnen und Kollegen aus anderen Städten von der Düsseldorfer Opern-Plänen berichte, dann gibt es in der Regel zwei Reaktionen: Was? In diesen Zeiten eine neue Oper für 750 Millionen bauen, darauf kann man nur in Düsseldorf kommen. Oder: Die Probleme hätten wir gerne! Googeln Sie ‚Oper der Zukunft‘ , dann landen Sie unweigerlich in Düsseldorf.

Vor rund einem Jahr habe ich an dieser Stelle eine Reihe von Fragen formuliert. In Prozess sind wir ein Stückchen weiter: Der Rat hat im Dezember letzten Jahres einen Grundsatzbeschluss für einen Neubau auf den Weg gebracht und jetzt gerade mit großer Mehrheit die Verwaltung beauftragt, einen städtebaulichen Wettbewerb auszuschreiben und eine neue Bürgerbeteiligung zu organisieren. Geplant werden soll parallel für den alten Standort Heinrich Heine Allee, sowohl auch für das ehemalige Kaufhof-Gelände am Wehrhahn.

Alle anderen Fragen scheinen mir auch nach über einem Jahr offen zu sein. Was eine „Oper der Zukunft“ genau sein soll, ist nach wie vor ziemlich unklar und wenn Sie Politikerinnen und Politiker in Verlegenheit bringen wollen, dann fragen Sie mal nach konkreten Beispielen oder Vorbildern. Die Elbphilharmonie in Hamburg, die sicherlich einige Menschen als strahlenden Leuchtturm im Hinterkopf haben, ist kein Opernhaus sondern ein Konzerthaus, in dem mittlerweile auch einiges an Popkultur stattfindet, was sicherlich zum Publikumserfolg beigetragen hat.

Noch komplizierter wird die Frage, wenn es um die zukünftigen Zielgruppen geht. Das aktuelle Publikum ist überwiegend weiß, älter, gut gebildet, gut situiert und wird tendenziell weniger, wenn man den Untersuchungen der Kulturwissenschaftler glaubt. Bleibt also die Frage: Was muss eine Oper leisten, damit sie mehr als nur einen kleinen Teil der Stadtgesellschaft und vor allem ein jüngeres Publikum erreichen will?

Bei der Architektur ist es einfacher. Ich traue guten Architektur-Büros heute schon zu, dass sie Nachhaltigkeitskriterien, ein großes Foyer oder ein attraktives Café mitplanen. Ebenso Barrierefreiheit, ausreichend Fläche, kurze Wege und gute Akustik. Dafür gibt es ja auch Vorbilder, wie zum Beispiel die Oper in Oslo.

„Oper für alle“, hier wird es spannend. Was damit gemeint ist bleibt auch nach über einem Jahr ziemlich unklar. Soll zum Beispiel die städtische Musikschule integriert werden, wie es die Kulturbürgermeisterin der Grünen Gerlach neulich anregte? Was ist mit Musicals oder anderen Formen des Musiktheaters? Bekanntlich gibt es ja auch Rock- und Pop-Opern, die bislang im Repertoire der Oper am Rhein nicht vorkommen, anders übrigens als im Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen, die sich nicht scheuen, auch mal ein Schalke-Musical auf die Bühne zu bringen.

Moderne Kammeropern, freie Musiktheaterproduktionen, wie zum Beispiel das Theater der Klänge, würden sicherlich nicht massenweise Plätze füllen, aber zumindest die Zielgruppen erweitern können. Wie werden Düsseldorfer Künstlerinnen und Künstler sowie andere Kultureinrichtungen als Kooperationspartner eingebunden, sich am Projekt „Oper der Zukunft“ zu beteiligen? Gefragt worden sind sie bislang nicht.

Völlig offen ist nach wie vor die Frage der Finanzierung. Will die Stadt Düsseldorf wirklich 750 Millionen Euro für den Neubau einer Oper ausgeben, erhöhte Folgekosten für den Betrieb der „Oper der Zukunft“ noch nicht eingerechnet? Der Zeitpunkt ist ungünstig, da vermutlich im Herbst die ersten Kürzungsrunden im Kulturetat anstehen, nicht nur für die freie Szene, sondern auch die städtischen Institute.

Alle Parteien beteuern, dass der Neubau der Oper nicht zu Lasten anderer Einrichtungen gehen soll. Aber mit welchem Mechanismus genau kann dies verhindert werden? Die SPD hat in ihrem Opernpapier dazu einen klaren Vorschlag gemacht, die anderen Parteien vertrauen wohl auf ihre formulierten Absichten. Wenn da mal nicht die Sachzwänge der Kämmerin dazwischen kommen und dann doch alles ganz anders kommt.

Es ist also an der Zeit alle die offenen Fragen erneut auf den Tisch zu legen und zu beantworten, bevor es in die endgültige Entscheidung und Ausschreibung geht. Dafür ist eine neue Bürgerbeteiligung notwendig, die der Rat auch auf den Weg gebracht hat. Dieses Mal hoffentlich breiter angelegt und mit mehr Beteiligung als im letzten Corona-Sommer. Vielleicht spricht man auch mal mit dem überwiegenden Teil der Düsseldorferinnen und Düsseldorfern, den die Oper bislang herzlich wenig interessiert. Nicht-Besucher-Befragung ist der Fachbegriff.

Ich vermisse auch die öffentliche Einmischung vieler meiner Kolleginnen und Kollegen, die ja über kulturelle Expertise verfügen aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln. Für so eine große Investition sollten wir uns nicht auf eine kleine Experten-Kommission oder eine Handvoll Politikerinnen und Politiker im Kulturausschuss verlassen. Diese Fragen gehen die ganze Stadtgesellschaft etwas an, da ist eine lebendige öffentliche Debatte angesagt und nicht nur über Standorte oder unverlangt eingereichte, schnell am Rechner produzierte Architektur-Visionen.

Ganz persönlich hätte ich mir ja bei dieser Jahrhundert-Investition einen Bürgerentscheid gewünscht, dann wäre die Diskussion ganz alleine losgegangen und alle Interessensgruppen hätten für ihre Sicht geworben. Aber so viel Basis-Demokratie möchte man seinen Bürgerinnen und Bürgern dann doch nicht zumuten oder riskieren.

Jochen Molck berät andere Kultureinrichtungen, lehrt an der Hochschule Düsseldorf im Fachbereich Kultur- und Sozialwissenschaften und engagiert sich u.a. im Rat der der Künste Düsseldorf

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