Fröhlicher Maidan-Protest, Polizeigewalt, dann kam Putin

Für wenige Tage schien die Sonne der Freiheit in der Ukraine. Die Menschen versammelten sich auf dem Maidanplatz von Kiew gegen das Regime von Wiktor Janukowytsch. Doch diese Episode währte nur kurz. Der korrupte Staatschef antwortete mit brutaler Gewalt, es gab viel Tote. In dem kleinen Sammelband zeigen 14 Autoren aus eigenem Erleben, was damals geschah. In ihren Essays schreiben sie von ihren Ängsten und von ihren Hoffnungen - vor allem aber auch von der Enttäuschung über ein Europa, von dem sie sich im Stich gelassen fühlen. Die Texte sagen mehr über den Zustand der Ukraine, als jede Parlamentsdebatte und jedes politische Seminar es leisten könnte. In einer oft poetischen Sprache geben die Intellektuellen Einblick in ihr Denken und ihre Gefühle. Die dramatische Entwicklung der Ereignisse wird hier noch einmal wach: der fröhliche Protest und seine starke Resonanz in den sozialen Netzwerken, die blutige Niederschlagung und ihre Fortsetzung im Eingreifen Russlands.

Woher nahmen sie den Mut, sich gegen ihren Machthaber und seine brutale Polizeitruppe zu stellen? Auch dies erklären die Texte. Denn die Ukrainer wollten eine Gesellschaft haben wie in westlichen Ländern auch. Ein ganz großes Thema ist auch die unselige Rolle des großen Nachbarlands, das die Freiheitsbewegung als "faschistisch" diskreditierte. Besonders empört sind die Autoren, dass dieses bösartige Gebilde im Westen für Wirklichkeit gehalten wird. Auch hier wieder die Enttäuschung über die Naivität Europas. Recht milde ist da noch der Essayist Jurko Prochasko mit seinem Urteil, dass die Reaktionen auf die Revolution "nicht besonders ermutigend" waren. Dass es noch ein Russland jenseits von Putins Großmachtsdenken gibt, zeigt die Schriftstellerin Alissa Ganijewa: "Der Maidan hat die russische Gesellschaft gespalten." Die traurige Geschichte in der Ukraine ist noch nicht vorbei. Der Brennpunkt hat sich von Kiew in den Osten verlagert. Das Büchlein ist nur ein Einblick in das, was die Demonstranten wollten. Aber dies gerade durch die vielen verschiedenen Sichtweisen und Eindrücke so eindrucksvoll.

Juri Andruchowytsch (Hg.): Euromaidan. Was in der Ukraine auf dem Spiel steht. Edition Suhrkamp, 207 Seiten, 14 Euro

(RP)
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