Ukrainischer Autor begeistert auch als Musiker Friedenspreisträger rockt die Buchmesse

Frankfurt · Der ukrainische Schriftsteller Serhij Zhadan wird am Sonntag in der Frankfurter Paulskirche mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt. Vorher aber gab er ein Konzert auf der Buchmesse.

Friedenspreisträger Serhij Zhadan (rechts) mit Yuriy Gurzhy an der E-Gitarre beim Konzert auf dem Buchmessen-Gelände.

Friedenspreisträger Serhij Zhadan (rechts) mit Yuriy Gurzhy an der E-Gitarre beim Konzert auf dem Buchmessen-Gelände.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Der hessische Abend senkte sich schon übers Messegelände, leer die Messehallen und letzte Aufräumarbeiten an den Würstchen-, Suppen- und veganen Nudeln-to-go-Büdchen. Da ging auf der Buchmesse noch einmal richtig die Post ab. Und einer der Urheber war ausgerechnet jener, der am Sonntag sehr feierlich in der traditionsreichen Paulskirche hoch geehrt wird: Serhij Zjadan. Der 48-jährige Ukrainer und neuer Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels ist eben nicht nur Dichter – obgleich das vor allem –, sondern auch ein Rockmusiker. Eine bekannte Größe in seiner Heimatstadt Charkiw.

Die Leute dankten es ihm, tanzten zu wummernden Rhythmen der Musik. Es ist das neue Album „Fokstroty“, das Zhadan mit Lyuba Yakimchuk und Yuriy Gurzhy präsentierte und als Brückenschlag der 100-jährigen Liedtradition seiner Heimat konzipiert ist. Das kapieren an diesem Abend nur die Ukrainer, die mitsangen, mitklatschen und ein bisschen Heimat an diesem Abend genießen.

Hatte man zu Beginn der Messe mit Kim de l'Horizon und dessen Auftritt schon einen ungewöhnlichen Sieger beim Deutschen Buchpreis, so entspricht auch Serij Zhadan nicht dem bislang vertrauten Bild eines sogenannten klassischen Friedenspreisträgers. Zhadan ist Dichter und Erzähler, Essayist und Aktivist, Musiker und Künstler – und mit diesem vielfachen Gestaltungswillen auch ein Abdruck unserer Zeit. Mit einer Kunst, die laut und leise sein kann, formwahrend und anarchisch ist. An diesem Abend war es das Laute, war das für ein paar Stunden Unbeschwerte. Dem Krieg und Denken an die Familie ein bisschen davontanzen.

Ein Friedenspreisträger hat es auf der Buchmesse nicht gemütlich. Wird von hier nach dort gereicht, vom Blauen Sofa zum Fototermin und zur Pressekonferenz. Dort konnte man dann einen ganz anderen Zhadan erleben, einen ernsten und nachdenklichen und konzentrierten. Er spricht davon, dass „die Wahrheit auf unserer Seite ist“, weil die Ukraine niemanden angegriffen, überfallen habe. Und es sei wichtig, nicht zu fliehen, sondern selbst in der bombardierten Stadt Charkiw mit den anderen zu bleiben und einander Mut zu machen. Manchmal sei es dann schwer, immer die politisch korrekten Wort zu finden, doch müssen sich, so Zhadan, die Ukrainer „nicht für ihre Worte entschuldigen müssen in einem Krieg, der jetzt schon ins neunte Jahr ginge – seit der russischen Annektierung der Krim. Also immer weiter machen, immer wieder Worte finden, weil für ihn die Sprache „die Überwindung von Angst und Unsicherheit ist“.

Vielleicht spielte auch darum die Schrift eine so promintente Rolle selbst im abendlichen Konzert. Serhij Zhadan steht nämlich an einer uralten mechanischen Schreibmaschine, hackt darauf tanzend fast wild herum und gibt vielen Liedern den metallischen Takt vor. Ein literarisches Metronom, das einen sinnfreien Text hervorgebracht haben dürfte. Aber auch das war an diesem einen Abend befreiend.

Info Sein neuestes Buch: Serhij Zhadan: „Himmel über Charkiw“. Nachrichten vom Überleben im Krieg. Suhrkamp, 240 Seiten, 20 Euro

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