Dokumentation „Der letzte Akt“ Wie Freddie Mercury Abschied nahm

Düsseldorf · Eine abendfüllende Dokumentation erzählt von den letzten Jahren des Queen-Sängers. Besonders bewegend sind die Erinnerungen von Bandkollegen und Freddie Mercurys Schwester.

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Das ist Queen-Sänger Freddie Mercury

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Die letzte Tournee von Queen war die größte der Band, kurz vor dem Finale vor 120.000 Menschen in Knebworth füllten sie zwei Mal das Wembley-Stadion in London. Diese Konzerte sind legendär, eine Ahnung davon, wie großartig Freddie Mercury an jenen Abenden gewesen sein muss, vermittelt der Konzertfilm, der das Ereignis dokumentiert. Mit nacktem Oberkörper, Königsmantel und Krone stand er schließlich da, 70.000 Fans jubelten ihm zu. Er war auf dem Höhepunkt, und doch sagte er hinter der Bühne zu seinen Bandkollegen, dass er nun aufhören und nie wieder live spielen wolle. „Da wussten wir, es stimmt etwas nicht“, erinnert sich Queens Schlagzeuger Roger Taylor.

„Freddie Mercury: Der letzte Akt“ heißt die Dokumentation von James Rogan, die erzählt, wie Freddie Mercury die wenigen Jahre verbracht hat, die ihm noch blieben. 1991 starb der charismatische Queen-Frontmann, er wurde 45 Jahre alt, und keine 24 Stunden vor seinem Tod hatte er bekanntgegeben, dass er an Aids leide. Der Film, der in der Arte-Mediathek bereit steht, erklärt, was es damals bedeutete, mit HIV infiziert zu sein. Für viele war die Diagnose wegen fehlender Therapien ein Todesurteil. Außerdem drohten soziale Ächtung und nicht selten Verstoßung durch die Familie.

„Der letzte Akt“ erzählt eine Sozialgeschichte Englands aus den frühen 1980er Jahren. Konservative Politiker und einige Medien bezeichneten Aids als „Schwulenpest“, die der Menschheit von einem zornigen Gott geschickt worden sei. Im Film kommen Männer zu Wort, die damals die Diagnose erhielten und nicht Panik oder Angst als erste Reaktion nennen, sondern: Scham. 1985 war Rock Hudson der erste Weltstar, von dem bekannt wurde, dass er an den Folgen der Infektion gestorben war. Freddie Mercury lebte damals in seinem im japanischen Stil eingerichteten Anwesen „Garden Lodge“ in London. Er wusste früh, dass er sich infiziert hatte. Auf der triumphalen Tournee 1986 strengten ihn die Konzerte mehr an als sonst. Er ahnte, dass seine Kräfte rasch schwinden würden.

Die Kommentare der Bandkollegen Brian May und Roger Taylor und von Mercurys Schwester Kashmira Bulsara sind das Bewegendste in diesem Dokumentarfilm. Sie erzählen vom Kampf, den Freddie Mercury führte und nicht gewinnen konnte. Und von den Höchstleistungen, zu denen er sich im Studio anspornte, um die letzten Aufnahmen abzuschließen. Die Musiker sprachen zunächst nicht offen miteinander über die Krankheit. Den körperlichen Verfall und die Behandlungspausen führte man darauf zurück, dass Mercury „etwas mit der Leber“ habe. Erst sehr spät vertraute sich Mercury den Kollegen an. Man beschloss, bei Presse-Anfragen alles zu leugnen.

Als die Band Mercury den Song „The Show Must Go On“ vorlegte, konnte er sich schon nicht mehr ohne Schmerzen bewegen. Er trank zwei Wodka und sang den Song ein, und in einer der großen Szenen dieser Produktion hört Brian May die Gesangsspur von damals ab. Man kann das kaum sehen, ohne eine Gänsehaut zu bekommen. „Seine Stimme hat die gewohnte Stärke“, kommentiert May, „aber darunter liegt ein anderes Timbre.“ Dann schluckt er.

„These Are The Days Of Our Lives“ war das letzte Video, das sie drehten. Mercury war im Mai 1991 nur mehr ein Schatten seiner selbst, mit eingefallenen Wangen und durchscheinender Haut stand er da, während mancher Kommentator ihn als „Perversen der übelsten Sorte“ bezeichneten. Am 24. November 1991 starb er. Zehn Millionen Menschen waren zu dem Zeitpunkt infiziert. Und nun widmet sich der Film dem Nachleben Mercurys und der Wendung, die das Denken über Aids nahm.

1992 kehrte Queen ohne Freddie Mercury, aber mit prominenten Gästen ins ausverkaufte Wembley-Stadion zurück. David Bowie, Annie Lennox, Lisa Stansfield und Roger Daltrey sangen seine Lieder. Die beiden besten Augenblicke waren jener, als das unwahrscheinliche Paar Elton John und Axl Rose „Bohemian Rhapsody“ im Duett sang, und jener, in dem George Michael eine fabelhafte Version von „Somebody To Love“ gab. Der Song also, in dem Freddie Mercury geschildert hatte, wie er sich morgens vor dem Spiegel fragt, ob er jemanden wird finden können, den er lieben kann. George Michael hatte sich damals noch nicht geoutet, und kaum ein Jahr später starb seine große Liebe an Aids.

Die Queen-Musiker betrieben Aufklärung. Wenige Tage nach Mercurys Tod hatten sie einen verzweifelt anmutenden Auftritt im britischen Frühstücksfernsehen, um die Zuschauer für die Kranken zu sensibilisieren. Sie veröffentlichten „Bohemian Rhapsody“ erneut, um Geld für die Aids-Hilfe zu sammeln. Und auch das von geschätzt einer Milliarde Menschen im TV gesehene Tribute-Konzert trug das Thema in die Öffentlichkeit.

 Queen-Frontmann Freddie Mercury.

Queen-Frontmann Freddie Mercury.

Foto: EMI

„Freddie Mercury: Der letzte Akt“ ist eine sehenswerte Musik-Dokumentation. Sie erzählt Zeit- und Gesellschaftsgeschichte. Im Mittelpunkt steht ein Mensch, den man nun besser zu kennen meint. Und umso stärker vermisst.

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