Der begehrteste Job der Sixties Im Vorzimmer der Beatles

Liverpool · Freda Kelly arbeitete elf Jahre als Sekretärin der Fab Four. Heute ist sie 70. Eine Begegnung in Liverpool.

 Sie brachte den Beatles die Post nach Hause: Freda Kelly mit Paul McCartney im Jahr 1967.

Sie brachte den Beatles die Post nach Hause: Freda Kelly mit Paul McCartney im Jahr 1967.

Foto: wikipedia/DCinfouma

Sie ist 70 Jahre alt inzwischen, aber sie hat immer noch so ein herrliches Jungmädchen-Lächeln, dass einem direkt das Lied „Here Comes The Sun“ in den Sinn kommt. Freda Kelly war 17, als sie die Sekretärin der Beatles wurde. Sie himmelte die Jungs an, die zu Beginn ihrer Karriere im Cavern Club aufgetreten sind. „294 Mal spielten sie dort“, Freda weiß es genau, „und 190 Mal war ich im Publikum.“ Mit Lockenwicklern habe sie in der ersten Reihe gestanden und die Dinger schnell herausgenommen, als die Band auf die Bühne kam. Deshalb konnte sie all die verliebten Mädchen gut verstehen, die schrieben, sie hätten so gerne etwas Persönliches von Paul, vielleicht einen Faden aus seinem Mantel oder eine Strähne. Also ging Freda Kelly mit, wenn die Beatles von ihrem Manager Brian Epstein zum Friseur geschickt wurden. Sie sammelte Haare auf und schickte sie an die Fans. From Me To You.

Freda Kelly sitzt im „A Hard Day’s Night Hotel“ in Liverpool, wo immer und überall Beatles-Songs laufen – auf der Toilette übrigens „Your Mother Should Know“ –, und sie bestellt als Vorspeise Chicken Wings, danach Steak und danach Schwarzwälder Kirsch. Sie ist so charmant wie resolut, und sie ist in der Geburtsstadt der Beatles, wo wirklich jeder beklatscht wird, der jemanden kennt, der Ringo irgendwann von weitem gesehen hat, ein Star. Vor allem, seit der Dokumentarfilm über ihr Leben ausgestrahlt wurde: „Good Ol’ Freda“ heißt er. Eigentlich wollte sie nie über die Beatles reden, sagt sie, aber dann stimmte sie dem Film zu, und danach konnte sie nicht mehr anders. Sie war schon da, als die Beatles nur in Liverpool weltberühmt waren, und sie war noch dabei, als sie sich längst aufgelöst hatten. Brian Epstein, der ja einen Elektroladen führte, aber das Talent der Beatles erkannte, sich ihnen als Manager andiente und selbst auch erst Mitte 20 war, stellte sie ein – er kannte sie, sie war halt immer da, wo die Beatles waren. Epstein hatte nicht geahnt, wie rasch diese Gruppe zu dem werden würde, was sie ist. Und die Beatlemania ist nicht verebbt: „Hey Freda!“ Sie wird umarmt wie eine Freundin, irre.

Freda – man muss sie beim Vornamen nennen – trägt ein schwarzes Kleid mit rosa Blumen. Immer dabei hat sie eine grüne Plastiktüte von Marks & Spencer. Früher musste sie tagsüber im Büro sitzen und nachts die Fanpost beantworten. Die wurde zu ihr nach Hause geschickt, sie lebte bei den Eltern, und als 1964 täglich bis zu dreitausend Briefe ankamen, sagte ihr Vater: No! Er fand unter dem Postberg seine Stromrechnung nicht mehr. Von da an mussten Fans an die Büro-Adresse schreiben.

Freda brachte John und Paul die Post nach Hause, und sie trank jede Woche Tee mit Ringos Mutter, die das Mädchen wie eine Tochter ins Herz schloss. Freda überwies den Beatles ihr Gehalt, und 50 Pfund pro Woche überreichte sie ihnen in bar. Manchmal rief Paul sie an: „Roy Orbison gibt eine Party. Willst Du mitkommen?“ Als die Beatles nach London umzogen, blieb sie in Liverpool und arbeitete von dort weiter. Ihr Vater ließ sie nicht gehen, er mochte die Jungs nicht. Danach ging es ohnehin bergab, sagt Freda, und 1970 löste sich die Gruppe auf. Sie schüttelt den Kopf: Mag sie gar nicht dran denken. No more Fab Four.

Sie lebt inzwischen auf der anderen Seite des Mersey, sie arbeitet zwei Tage pro Woche in einer Kanzlei als Sekretärin. „Hätte ich alles behalten aus der Zeit mit den Beatles, wäre ich Millionärin“, sagt sie. Hat sie aber nicht, sie hat alles verschenkt. Vier Kartons sind ihr geblieben, darin Fotos und Haare von George. Paul lädt sie ein, wenn er in der Nähe auftritt, und Ringo bat sie vor kurzem zu sich nach L.A. Was war das erste, das sie ihm dort gesagt hat? Er solle aufhören, immer dieses alberne Peace-Zeichen mit den Fingern zu machen, antwortet sie. Dann öffnet sie ihre Plastiktüte, kramt darin herum und überreicht dem Gesprächspartner ein Foto von Ringo. Es ist von 1964.

Oh, yesterday came suddenly.

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