Traumjob für Kirchenmusiker Bonner arbeitet in St. Michael in München

München · Das Paradies für einen Kirchenmusiker: Frank Höndgen ist Chordirektor an der Jesuitenkirche St. Michael in München.

 Mit der Partitur von Mozarts „Requiem“: Frank Höndgen, Chordirektor an St. Michael in München.

Mit der Partitur von Mozarts „Requiem“: Frank Höndgen, Chordirektor an St. Michael in München.

Foto: Keller, Christiane

Es begab sich aber im Jahr 1988, dass in Aachen ein junger Mann von seinen Studienkollegen einen Einlauf bekam. Sie alle bereiteten sich auf die kleine Kirchenmusikerprüfung, das C-Examen, vor, und der junge Mann hatte verlauten lassen, dass er gern bei der Feuerwehr arbeiten würde. Orgel spielen und einen Chor dirigieren – das hatte er der Freizeit vorbehalten. Da fragten ihn die anderen, ob er wahnsinnig geworden sei. Er verfüge über eine hohe Begabung, und so ehrenwert die Dienstbezeichnung Oberbrandrat auch sei, so unzweifelhaft sei es doch auch, dass er in der Kirche nicht minder Karriere machen könne. Er sei nun mal ein famoser Musiker. In der Tat, er spielte prima Orgel, beim Chordirigat mimte er einstweilen noch den Albatros, doch sei Spannweite gar nicht so falsch, man müsse sie nur richtig einsetzen.

Höndgen hat das beherzigt, und es hat Wunder gewirkt: Jetzt ist er Chordirektor an St. Michael in München. Das ist eine der prachtvollsten Stellen, die es in der katholischen deutschen Kirchenmusik zu besetzen gibt. Höndgen gebietet dort über paradiesische Verhältnisse, man darf sagen: Er ist im Himmel angekommen. Ein solches Amt ist schwer zu toppen.

Jeder von uns kennt das Gotteshaus: Es ist diese riesige barocke Jesuitenkirche in der Münchner Fußgängerzone, der Kaufingerstraße, die sich auf dem Weg vom Stachus zum Marienplatz links fast unmerklich in die Häuserfront einfügt. Hat man den Eingang gefunden, betritt man einen Kirchenraum von überwältigender Schönheit. Gold, wohin man schaut – und üppige Engelchen pusten ihren Glanz schier von jedem Sims  herab. Der nahe Liebfrauendom ist ein kaltes spätgotisches Meer aus Backstein dagegen.

Neulich war St. Michael allerdings nicht zu übersehen: Vor der Tür standen Schilder, die zu einem Konzert mit Mozarts „Requiem“ und Hindemiths dreiteiliger „Mathis“-Symphonie luden. Die Kantorei sang prachtvoll, im Orchester saßen Musiker der besten Münchner Orchester, die Solisten fügten sich meisterlich zu einem Quartett – und am Pult stand der junge Albatros von damals. Famos, wie er die Bildwelten in Hindemiths Meisterwerk formte, wie er Hindemiths Fugen herausarbeitete, ohne dass es wie eine Seminararbeit klang – und vollends himmlisch, wie er danach Mozarts letzte Komposition, das „Requiem“, ebenso saftig wie eindringlich, so gelassen wie zwingend erstehen ließ. Und am Ende mündet das herrische „Quia pius es“ in einem d-Moll, das dem Tod die Stirn der Frömmigkeit bietet.

Höndgen, 1967 geboren, hatte in seiner Bonner Heimat schon früh an der Orgel gesessen, aber es zeigte sich, dass der junge Musikus eine großartige Stimme hatte, einen farbenreichen Bariton. Schon in den 90er Jahren trat er vielerorts auch solistisch auf, etwa bei Bachs „Weihnachts-Oratorium“ oder Mozarts „Requiem“ in der Mönchengladbacher Franziskanerkirche St. Barbara. Bachs „Trompeten-Arie“ sang er frei und strömend, und das Duett mit der Posaune in Mozarts „Tuba mirum“ glückte vortrefflich. Da war der junge Mann Mitte 20, und bald begann er an der Kölner Musikhochschule zu studieren. Damals wusste er, dass er vorerst keine Brände löschen würde.

Nach oben kommt man, wenn man unten anfängt und trotzdem weiß, dass auch das Kleinste bereits das Höchste ist. In seinen Jugendjahren dirigierte er einen Kirchenchor in der Pfarrgemeinde St. Petrus und Paulus in Swisttal-Odendorf. Mit diesem Chörchen veranstaltete er erlesene Dinge; schon damals merkte jeder, dass dieser Frank Höndgen für die Musik entzündet war – und jeder wünschte, dass er die richtigen Lehrer bekam. Die hatte er in der Tat, in Köln waren es auf dem Weg zum A-Examen unter anderem Clemens Ganz und Jürgen Kursawa, Henning Frederichs und Reiner Schuhenn. Und weil es nun partout die Chorleitung sein sollte, sattelte er Kurse bei Koryphäen wie Frieder Bernius, Uwe Gronostay, Paul Hillier, Erwin Ortner oder Peter Neumann obendrauf. Danach konnte nichts mehr schiefgehen.

Bald ging es Schlag auf Schlag. Zuerst war Höndgen, von 1998 bis 2003, künstlerischer Leiter des Kammerchors Bonner Praetorius-Gemeinschaft (jetzt Figuralchor Bonn). Danach hatte er mehrere Jahre das Amt des Regionalkantors an der Wuppertaler Innenstadtgemeinde St. Antonius in Barmen inne. Danach erfolgte die Berufung nach München. Seine Büro dort ist eine kleine Kommandozentrale der Musica Sacra, Planung von Konzerten und Gottesdiensten findet natürlich auch am PC statt. Das Internet ist für Höndgen aber auch wichtiges Kommunikationsinstrument, denn er zählt zu den europaweit führenden Choralforschern; seine Doktorarbeit über Gesänge der Abtei Münsterschwarzach – eine stattliche Schwarte mit Anhang über Details des gregorianischen Chorals – wurde weit beachtet. Innerhalb der katholischen Kirche wird sein Urteil sehr geschätzt, er ist Mitherausgeber einer Chorbuch-Reihe zum neuen Gesangbuch „Gotteslob“, doch am wichtigsten ist ihm die Arbeit in der Gemeinde. Dort leitet er mehrere Chöre, natürlich auch eine Choralschola, und auch mit Dirigenten wie Nagano, Mehta oder Gergiev hat er bereits zusammengearbeitet. Und für den Carus-Verlag hat er eine neue Ausgabe von Gounods „Cäcilienmesse“ betreut.

Ist er in München angekommen? Natürlich liebt Höndgen das Leben in der Millionenstadt, doch wenn ihn rheinische Freunde anrufen, ist er am Telefon stets der „leeve Jong“, der des Dialekts mächtig ist. Daran haben sich auch seine Sänger gewöhnt. In den kommenden Tagen haben sie viel zu tun und zu singen, die Kirchenmusik an St. Michael leidet in keiner Weise unter Blässe und Armut. Pause im Kirchenjahr gibt es – gerade für einen wie Frank Höndgen – eigentlich nie. Und seine Studienkollegen von damals sind froh, dass sie Recht behalten haben.

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