Fotografien aus Düsseldorf Düsseldorfer Stillleben

Düsseldorf · Der Architekturfotograf Marcus Schwier hat die menschenleere Stadt in dieser außergewöhnlichen Zeit porträtiert. Seine Bilder versteht er auch als Dokumente der Zeitgeschichte.

Eine Art Stillleben von Marcus Schwier – ausgerechnet in der ansonsten so belebten Düsseldorfer Altstadt. Der Standort: Bolkerstraße mit Blick Richtung Mertensgasse.

Eine Art Stillleben von Marcus Schwier – ausgerechnet in der ansonsten so belebten Düsseldorfer Altstadt. Der Standort: Bolkerstraße mit Blick Richtung Mertensgasse.

Foto: Schwier/MARCUS SCHWIER | Düsseldorf

So eine menschenleere Stadt sei ideal für jemanden wie ihn, sagt Marcus Schwier. Er ist Architekturfotograf und bewegt sich zurzeit mit Kamera und Stativ durch Düsseldorf. Und hält einen Zustand fest, den er so noch nie vor der Linse hatte. Ein Flughafen, durch den er alleine streift, da nur drei Flüge auf der Anzeigetafel stehen. Die Königsallee, auf der niemand mehr vor Gucci oder Louis Vuitton Schlange steht. Die Düsseldorfer Altstadt, in der alle Restaurants und Bars geschlossen sind, und niemand betrunken und grölend durch die Bolkerstraße läuft. „Städte sind für den Menschen gemacht, sie lebten von Aktivitäten und Angeboten. Im Moment hat sie, bis auf das Wohnen, keine Funktion mehr“, sagt er.

Beim Fotografieren mache Schwier sich auch immer Gedanken über das Objekt, über die Situation. Und nun sei es an der Zeit, Stadträume als urbanes Ensemble zu hinterfragen. Wenn er Außenräume – also Landschaften – fotografiert, versucht er, die Beziehung von Mensch und Natur mit einfließen zu lassen: „Mich interessiert, wie sich beides beeinflusst“, sagt er.

Räume haben ihn schon immer interessiert. Nach dem Studium der Architektur lernte er von 1993 bis 1998 an der Kunstakademie Düsseldorf bei Ernst Kasper mit dem Schwerpunkt Fotografie. Nach seinem Abschluss war er viel unterwegs, reiste unter anderem nach Island, in die Vereinigten Staaten und nach Grönland.

„Ich habe auf allen Kontinenten fotografiert“, sagt er. Für seine Architekturaufnahmen in Metropolen auf der ganzen Welt ist er auch international bekannt.

Mit seinen „Stadtporträts“ ist er viel in Deutschland unterwegs. Städte wie Ravensburg und Fürth laden ihn ein, das Äußere, also vor allem die Architektur, und das Innere, die Menschen, mit dem Blick eines Fremden einzufangen. Anschließend werden die Fotografien in Kunstmuseen und Galerien ausgestellt. Auch für seine Heimatstadt Düsseldorf hat er ein Stadtporträt erstellt und dafür Fotografien der vergangenen 30 Jahre ausgestellt. Seine neuen Fotografien des irritierend menschenleeren Flughafens und der Alt- und Innenstadt seien eine Erweiterung dessen: „Mir ist es wichtig, die Stadt in diesem außergewöhnlichen Zustand festzuhalten“, sagt er.

Schließlich seien seine Fotografien immer auch ein Dokument ihrer jeweiligen Zeit. Die Menschen würden den Ist-Zustand oft einfach hinnehmen – wie ausverkauftes Klopapier, leere Gassen und Masken. Die seien nichts Besonderes mehr. „Wir müssen das festhalten, sonst vergessen wir, wie es wirklich war“, sagt Schwier. Beeinflusst ist er von den Traditionen Stanley Kubricks, der lange als Fotograf arbeitete, bevor er als Regisseur weltberühmt wurde. Kubrick sei immer ans technisch maximal Machbare gegangen, habe vieles ausprobiert und nach den Worten Schwiers so eine neue Bildästhetik geschaffen.

Bestes Beispiel sei der Film „Barry Lyndon“, der wohl ästhetischste Filme des Regisseurs. Die Innenaufnahmen wurden nämlich ausschließlich mit Kerzenlicht beleuchtet. Auch Schwier experimentiert viel, indem er beispielsweise ein neues Objektiv auf eine alte Kamera setzt oder Equipment nutzt, das nicht frei verkäuflich ist, Spezialkameras für Forensiker und Wissenschaftler zum Beispiel. Wie bei Kubrick sind auch seine Fotos nicht retuschiert oder bearbeitet, Nachbearbeitung findet er lästig: „Das ist für mich so wie der Abwasch, nachdem ich etwas Fantastisches gegessen habe“, sagt er. Deswegen stellt er seine Kamera so ein, dass seine Fotos aussehen, wie er sie sich vorstellt. Wichtig sei dabei auch das Ungestellte, Spontane: „Ich fotografiere das, was ich vorfinde“, sagt Marus Schwier. Eben auch ein unbelebtes Düsseldorf.

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