Filmemacher Florian Siebert „Jeder gute Film hat eine Botschaft“

Der Düsseldorfer Filmproduzent, Autor und Regisseur Florian Siebert verbindet klassischen Filmstoff mit modernster Technik. Er erzählt von der berührenden Dokumentation „Afterward“ und bahnbrechenden Technologien für visuelle Effekte.

 Immer auf der Suche nach neuen Techniken: Filmemacher Florian Siebert.

Immer auf der Suche nach neuen Techniken: Filmemacher Florian Siebert.

Foto: Florian Siebert

Als Ofra Bloch vor bald 50 Jahren erstmals von New York nach Deutschland reiste, hielt sie es nicht lange aus. Zu befremdlich und verstörend erschien ihr das Land der Täter. Einige Mitglieder aus ihrer jüdischen Familie waren im KZ ermordet worden, die Erinnerung daran wog schwer und ließ sich nicht verdrängen. Viel später erst wurde der Psychoanalytikerin bewusst, dass es ihr nicht gut tat, diese Vorbehalte weiter in sich zu tragen. Schon gar nicht wollte sie den eigenen Hass an ihre Kinder weitergeben. Sie nahm sich vor, Deutschland neu zu entdecken und dem Nachhall des Holocaust in der heutigen Generation nachzuspüren. Ihre Erkenntnisse und Erfahrungen sollten in einen Dokumentarfilm fließen. 

An dieser Stelle kommt Florian Siebert ins Spiel. Der Düsseldorfer Filmproduzent, Regisseur und Drehbuchautor stellte für Ofra Bloch die erforderlichen Kontakte her, brachte sein Fachwissen ein und machte sich gemeinsam mit ihr auf die Suche nach Gesprächspartnern, Drehorten, historischen Hintergründen. Damit wurde er Co-Produzent des Films „Afterward“, der nach Präsentationen bei etlichen Festivals nun auf der Streaming-Plattform „Sooner“ zu sehen ist. Preise gab es auch schon dafür, etwa den Greenwich International Festival Award als „Best Social Impact Film“ (2019).

Neben der jüdisch-deutschen wird als dritte Dimension das heikle Verhältnis Israels zu den Palästinensern beleuchtet. „Über die Nazizeit und den Holocaust wurde schon viel veröffentlicht“, sagt Florian Siebert. „Ofra Bloch erweitert die Perspektive und richtet ihren Blick auf die Nahost-Problematik, das ist das Spannende an diesem Film. Ich habe ihren Mut bewundert, unerschrocken in Palästinensergebiete zu gehen und den Dialog zu suchen. Die Menschen dort sind der verhärteten Fronten müde, sie sehnen sich nach Frieden und Versöhnung.“

Zu lösen sei der Konflikt nicht, das wisse auch Ofra Bloch. Aber die Hoffnung darauf will sie nicht gänzlich verlieren. Gedreht wurde in New York, Jerusalem, Palästina, Berlin und Kassel. Wie hat die Psychoanalytikerin das jetzige Deutschland wahrgenommen? „Ich glaube, sie war überrascht, glücklich und erleichtert“, antwortet Florian Siebert. „Wir haben im Team gut und fruchtbar zusammengearbeitet, ungeachtet der verschiedenen Generationen, Nationen und religiösen Prägungen.“ Er sei nicht enttäuscht, dass „Afterward“ kaum die deutschen Kinos erreichen werde, versichert der Produzent. „Im Streaming hat er eine größere Reichweite und bleibt länger verfügbar. Wir müssen ihn unbedingt zu den Menschen bringen. Auch für Schulen und Bildungseinrichtungen dürfte die Dokumentation von Interesse sein.“

Nach diesem Film hat der Düsseldorfer mehrere Projekte angestoßen und umgesetzt. Allerdings brauche man für manches einen langen Atem, sagt er. Nicht selten nimmt die Entwicklung eines Stoffs Jahre in Anspruch. Siebert ist als Produzent und Regisseur in ein kreatives Umfeld eingebunden und bestens vernetzt. Unter dem Dach von Ground Studios und der Schwesterfirma A4VR ist ein richtungsweisendes Zentrum für 3D-Animationen, visuelle Effekte und Virtual Reality-Produktionen entstanden. Dort gibt es ein klassisches Tonstudio und eine Kabine für Sprachaufnahmen für die komplette Post-Produktion von Filmen und Werbung.

Spektakulärer ist die zweite Sparte: An mehreren Arbeitsplätzen werden digitale Welten programmiert und Charaktere am Computer erschaffen, um sie später in Filme einzubauen. Florian Siebert demonstriert, was ein so genanntes „Volume Capture“ als Weiterentwicklung von Motion Capture und Animation zu leisten vermag: „Stellt man eine Person in eine 360-Grad Green Screen, kann sie interagieren und wird von allen Seiten rundherum gefilmt. Dabei kommt eine ganz neue bahnbrechende Technologie aus New York zum Einsatz, die es nur in wenigen europäischen Studios gibt. Mit ihr sind wir mitten in der Zukunft angekommen.“

Bei aller Faszination für Technik dürfe man einen Aspekt nie aus den Augen verlieren: „Jeder gute Film hat eine Botschaft, ohne Emotionen kommt er nicht aus. Man möchte die Menschen erreichen, berühren, unterhalten, nachdenklich stimmen. Also frage ich danach, mit welcher Technologie ich zum kreativen Erzähler werde.“

Wie diese Verschmelzung aussehen kann, hat Florian Siebert vor ein paar Jahren mit den Ground Studios und A4VR in Köln vorgemacht. Beim „Timeride“ sitzt man mit einer Virtual Reality-Brille in einer alten Straßenbahn und fährt durch das Köln von 1907. „Geschichtsunterricht und Museum in neuer Form“, kommentiert er. Gerade entwickelt er in Essen das Projekt „Aufwind“ über die Geschichte der ersten beiden deutschen Pilotinnen. „Darin verbinden sich klassisches filmisches Erzählen und modernste Technologien“ berichtet er. „Unseres Wissens hat das so noch keiner gemacht.“

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