Woody Allen wird 75 Zum Tod hat er eine eindeutige Haltung

Düsseldorf (RP). In seinem wohl berühmtesten Film "Der Stadtneurotiker" sitzt Woody Allen in einer Szene als Kind auf dem Sofa seiner Eltern und ist depressiv. Er will nicht mehr zur Schule gehen, weil das Universum expandiert. "Eh alles vergebens", sagt der Kleine mit der Riesenbrille und schaut bockig zu Boden.

Das ist Woody Allen
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Dieses kleine Selbstporträt ist ein Schlüssel zu Woody Allens Werk, denn ein Gefühl der Vergeblichkeit durchströmt alle seine Filme — freilich gewendet in einen bissigen Humor. Der bezieht seine ungeheure Treffsicherheit gerade daraus, dass er aufdeckt, wie die Menschen sich mühen, die Fragwürdigkeit ihres Seins zu überspielen. Nichts lustiger, als Leute beim Verdrängen zu beobachten.

Natürlich ist dies in Beziehungen besonders ergiebig. Und so hat Woody Allen in seinen Filmen immer wieder Paare dem Versuch ausgesetzt, ihre Illusionen miteinander zu pflegen. Gut geht das immer nur kurze Zeit. Er selbst übernahm in diesen Filmen stets den Part des wibbeligen, hochbegabten, neurotischen Intellektuellen, der genauso poitenreich über sein Sexualleben stammelt wie über Nihilismus oder Jazz.

Zum Tod hat er eine eindeutige Haltung

Misanthrop sei er schon mit neun gewesen, hat Woody Allen mal gesagt. Darum freut sich einer wie er natürlich nicht auf seinen Geburtstag. 75 Jahre wird er an diesem Mittwoch alt. Doch so lange in dieser Welt zu sein, ist für ihn kein Fest, sondern willkommene Lamentiervorlage: Das Alter mache weder weiser noch gelassener, gab er zu Protokoll.

Zum Tod hat er ohnehin eine eindeutige Haltung: Er ist dagegen. Es ist diese Mischung aus Witz und Weinerlichkeit, aus intellektuellem Scharfsinn, schonungsloser Selbstanalyse und Erleichterung in der Pointe, die den Menschenkenner Woody Allen zum amüsantesten Weltenhasser der Filmbranche gemacht hat.

Neuer Film in den Kinos

Und nun kommt das jüngste Werk des Künstlers in die deutschen Kinos: "Ich sehe den Mann Deiner Träume." Wieder lässt er darin Paare auf die Liebe bauen und führt dem Zuschauer genüsslich vor, was sie tatsächlich damit meinen. Sally etwa hat sich mal in einen Erfolgsschriftsteller verliebt und ihn unklugerweise gleich geheiratet. Nun bleiben weitere Bestseller aus, so ist auch Sallys Ehe kein Erfolg und der Künstlergatte bald unterwegs mit der hübschen Nachbarin. Besser ergeht es auch Sallys Vater nicht. Alfie verlässt seine britisch-biedere Ehefrau für eine junge Klischee-Blondine, spürt an ihrer Seite sein Alter aber bald erst recht. Und natürlich ist auch die blonde Barbie mit dem ungeheuren Pelzmantelbedarf nicht lange treu.

Verrat und Betrug, Projektionen, falsche Erwartungen, Enttäuschungen — der neue Film liefert Variationen zu den alten Woody-Allen-Themen und obwohl der Regie-Altmeister schon raffiniertere Plots erdacht hat, gelingt ihm auch in seiner 41. Regiearbeit wieder dieser wunderbar leichte Sarkasmus, der so schmerzlich amüsiert. Man kann Allen inzwischen Altmeisterlichkeit, sogar Einfallsarmut vorwerfen, der hellsichtig-ironische Ton seiner Filme aber ist unnachahmlich und er trifft ihn auch in diesem Werk.

Brolin lässt Wehmut aufkommen

Dazu konnte er wieder vor die Kamera holen, wen er wollte, und so hat diesmal Anthony Hopkins als alternder Liebeskranker einen überzeugend selbstironischen Auftritt, Naomi Watts gibt gekonnt die moderne Nörglerin und Antonio Banderas den mitleidenden Herzensbrecher. Nur Josh Brolin bleibt als Schriftsteller in der Schaffenskrise blass. So vermisst man Woody Allen einmal mehr vor der Kamera — es wäre die Rolle für den Meister selbst gewesen.

(RP)
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