Trauer um Schauspielerin Diana Rigg Farewell, Mrs. Peel!

London · Die englische Schauspielerin Diana Rigg, die als TV-Agentin und als Bond-Girl berühmt wurde, ist im Alter von 82 Jahren gestorben.

 Sie konnte auch artig, wenn sie wollte: die Schauspielerin Diana Rigg im Jahr 1967 in London.

Sie konnte auch artig, wenn sie wollte: die Schauspielerin Diana Rigg im Jahr 1967 in London.

Foto: picture alliance / empics/PA Archive

Dieser Tage war sie noch via DVD über meinen Bildschirm gelaufen, auf sehr leisen Sohlen, einem bösartig durchgeknallten Pflanzenforscher auf der Spur, und während John Steed, ihr Kollege, im Wohnzimmer des Forschers bei einem Brandy übertrieben höfliche Konversation trieb, um Zeit zu schinden, durchsuchte sie die Garage des Psychopathen. Wie immer hinterließ sie keine Spuren, sie war die Katze des britischen Geheimdienstes.

Diana Rigg war nicht irgendeine Agentin, sondern in der grandiosen, wie auf sie zugeschnittenen Rolle der Emma Peel in zwei Staffeln der Serie „Mit Schirm, Charme und Melone“ die schönste, raffinierteste, sympathischste Heldin meiner Kindheit. Ich befand mich im ahnungslosen Grundschulalter, als in den späten 60er Jahren Diana Rigg in verwegen passgenauen Ganzkörper-Anzügen in Latex-Optik mit übelsten Schurken kurzen Prozess machte und dabei immer Weltklasse aussah. Sie hatte etwas unmerklich Verwirrendes, sie konnte eine ganze Kompanie mit ihren Blicken becircen, aber auch wie ein Kerl draufprügeln, sie beherrschte nämlich Karate. Deshalb sprachen die Engländer damals von Emma Peels „M-Appeal“. Die züngelnde Penetranz, mit der sie und Steed einander siezten, ließ tief in den emotionalen Brunnen der Spionageabwehr blicken. Zugleich ließ sie jederzeit ahnen, dass sie selbst diese Serie als intelligente Unterhaltung empfand – eine Serie übrigens, die moderne Formen der Kriminalität visionär vorhersah.

Diana Rigg ist nun also mit 82 Jahren an ihrer Krebserkrankung gestorben, und das ist ein Stich in jene Herzkammer, die für die Jugenderinnerungen reserviert ist. Über ihre feminine, sportliche und doch sphinxhafte Gewandtheit hinaus, die nicht nur das vorpubertäre Knabengemüt, sondern auch reife Herren sehr beschäftigte, war sie eine Erscheinung sondergleichen. In ihrem Lotus Elan nahm sie jede Kurve in der ländlichen Londoner Peripherie mit quietschendem Draufgängertum. Daheim besaß sie allerdings einen Konzertflügel und eine Staffelei für extravagante Malarbeiten. Diese Vielfältigkeit der Rolle füllte Diana Rigg kongenial aus.

Geboren wurde Diana Rigg im Jahr 1938 in der nordenglischen Mittelstadt Doncaster, doch die prägenden Jahre ihrer Kindheit verbrachte sie in Indien. Mit 17 wurde sie in die berühmte Schauspielschule Rada in London aufgenommen und spielte danach in der Royal Shakespeare Company – schon früh ein Traumjob. Doch im Jahr 1965 verließ sie diese weltbekannte Theatergruppe, um aus der klassischen Schauspielerei auszubrechen, und ging zum Fernsehen (wo damals allerdings nicht besonders üppig bezahlt wurde).

Die Rolle der Emma Peel machte sie fraglos legendär, doch Diana Rigg konnte viel mehr. Im Jahr 1969 gelang ihr an der Seite von George Lazenby in der Folge „James Bond 007 – Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ als dem bislang einzigen Bond-Girl der Triumph, den Top-Agenten des Secret Service zu ehelichen. Die Ehe währte leider nur äußerst kurz, am Ende des Films wird sie auf dem Weg in die Flitterwochen im Auftrag von Ernst Stavro Blofeld, Bonds ewigem Widersacher, erschossen. Ihr trauerumflorter Blick im Angesicht des Todes ist unvergesslich.

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Foto: AP/Carlo Fumagalli

Danach war Diana Rigg eine internationale Kapazität, doch die Schauspielerin wurde nicht größenwahnsinnig. Sie war darauf bedacht, ihr Panorama klug und mit Umsicht zu weiten, und das gelang ihr beispielsweise sehr vergnüglich als saturierte, mit Allüren und Klunkern behängte Diva namens Arlena Marshall in der Agatha-Christie-Verfilmung „Das Böse unter der Sonne“. In die Abgründe des Schauspiels und der Mythologie drang sie aber auch vor, etwa als Medea in Euripides‘ gleichnamigen Theaterstück. Wie sie mit irrem Blick Rache an Jason übte, indem sie die gemeinsamen Söhne umbrachte; wie sie die Raserei psychologisch beglaubigte, das war ein umwerfendes, eindringliches Bühnenereignis. Für diese Rolle bekam sie 1994 einen Tony Award.

Möglicherweise hat Diana Rigg als Emma Peel die Kunst der fortwährenden Verwandlung gelernt. Das Chamäleoneske lag ihr ohnedies. Später schlug das Pendel vollends in die andere Richtung: „Ich liebe die Bösen“, sagte sie, „die sind so viel interessanter als die Guten.“ 2013 – auch daran erinnern sich viele lebhaft – feierte die damals 75-Jährige ein fulminantes Comeback als abscheuliche, boshafte Dornenkönigin Lady Olenna Tyrell im Fantasy-Epos „Game of Thrones“ und wurde dafür dreimal für einen Emmy nominiert. Dann wieder – Maske runter, Maske auf – machte sie auf sanft und kehrte an den Broadway zurück, im Musical „My Fair Lady“ als Mutter von Professor Higgins.

Die Schauspielerei erquickte und erfrischte sie bis ins Alter. Selbst an ihrem 80. Geburtstag stand sie auf der Bühne. Im Jahr darauf drehte sie mit „Shaun of the Dead“-Regisseur Edgar Wright den Horrorfilm „Last Night in Soho“. Ihre letzten Monate habe ihre an Krebs erkrankte Mutter damit verbracht, „freudig über ihr außergewöhnliches Leben nachzudenken“, erklärte Rachael Stirling, ihre Tochter, ebenfalls Schauspielerin, „voller Dankbarkeit und Stolz auf ihren Beruf“.

Ja, Diana Rigg war eine der ganz Großen, aber eine leise. Farewell, Mrs. Peel!

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