Tom Tykwers neuer Film "Cloud Atlas" "Wolkenatlas ist Filmkunst, kein Produkt"
Berlin · Tom Tykwer hat den teuersten deutschen Film aller Zeiten gedreht – zusammen mit Lana und Andy Wachowski. "Cloud Atlas" erzählt eine Geschichte, die 500 Jahre umspannt. Ein Gespräch mit drei Regisseuren über ihr gigantisches Projekt.

"Cloud Atlas" überzeugt mit imposanten Bildern
Tom Tykwer hat den teuersten deutschen Film aller Zeiten gedreht — zusammen mit Lana und Andy Wachowski. "Cloud Atlas" erzählt eine Geschichte, die 500 Jahre umspannt. Ein Gespräch mit drei Regisseuren über ihr gigantisches Projekt.
Drei Regisseure arbeiten an einem Film — wie kann das funktionieren?
Lana Wachowski Sie fragen doch auch nicht, wie mehrere Autoren zusammen ein Drehbuch für einen Film schreiben können.
Doch, daraus resultiert ja das Problem mancher Hollywoodfilme, die keine eigene Handschrift erkennen lassen.
Tykwer Stimmt, aber das Seltsame ist ja: Schreiben ist etwas sehr Intimes. Regieführen dagegen bedeutet Kommunikation. Es kommt darauf an, dass sich die richtigen Leute finden, so wie bei einer Ehe auch. Wir haben vier Jahre zusammengearbeitet — nur drei Wochen waren wir in der Zeit getrennt.
Lana Wachowski Unsere Zusammenarbeit hatte etwas Magisches. Wir haben uns quasi ineinander verliebt.
Wenn Sie Ihre Kooperation schon mit einer Ehe vergleichen — selbst da gibt es Konflikte. Welche hatten Sie?
Tykwer Bei einer guten Ehe findet man immer gemeinsame Wege.
Andy Wachowski Genau, da drehen sich die Auseinandersetzungen eher darum, wer den Deckel der Zahnpasta offen gelassen hat. Wir haben eben darüber gestritten, wer den besten Essensversorger am Set hat. (alle drei lachen)
Lana Wachowski Wenn es nicht funktioniert hätte, würde es den Film nicht geben. Vieles war hart, die Finanzierung stand auf wackeligen Füßen. Wir Regisseure haben vier Jahre auf Honorar verzichtet, andere haben für weniger Geld gearbeitet als gewohnt.
Wieso war die Finanzierung so schwierig? Sie hatten Stars von Tom Hanks bis Halle Berry im Team.
Tykwer Darüber waren wir selbst erstaunt. Ungewöhnliche Filme sind nicht besonders gefragt. "Cloud Atlas" ist eben nicht McDonald's, sondern ein sechsgängiges Menü mit sechs Geschichten, dessen Geschmack man testen muss. Wir sind aufgewachsen mit delikater Kinokost wie Stanley Kubricks "2001" oder David Leans "Lawrence von Arabien". Heute wird uns immer dasselbe Essen vorgesetzt.
Lana Wachowski In den USA wird der Markt von Filmen dominiert, die gängige Erwartungen erfüllen. All diese Fortsetzungsgeschichten, von "James Bond" bis "Twilight" sind doch Produkte, keine Kunstwerke.
Tykwer Ich habe den neuen Bond noch gar nicht gesehen, aber der Grad der Aufmerksamkeit ist faszinierend. 95 Prozent des Films sind bestimmt so wie immer, aber jeder springt auf die fünf Prozent, die anders sind. Klar, im neuen Bond wird bekanntes Terrain neu vermessen, aber wie sich die Medien darauf stürzen, ist erstaunlich. Die Studios dagegen fragen stets nach vergleichbaren Filmen, um die Gewinnchancen abschätzen zu können. Aber so einen ähnlichen Film wie "Cloud Atlas" gab es eben noch nicht.
Sie zweifeln an der Innovationskraft der Studios, aber wie offen ist das Publikum?
Tykwer Dieser Film ist ja gerade ein Zeugnis für die Hoffnung, die wir ins Publikum setzen.
Und wenn "Cloud Atlas" nun an der Kinokasse durchfällt?
Lana Wachowski Als Melvilles Roman "Moby Dick" herauskam, verkaufte sich das Buch genau 193 Mal. Wir wissen nicht, ob das Publikum bereit ist. Aber "Cloud Atlas" betrifft die Menschheit, also uns alle.
Nach vier Jahren müssen Sie nun getrennte Wege gehen. Wie fühlt sich das an?
Lana Wachowski Wir hassen es. Wenn Sie eine Idee haben, welches Projekt wir gemeinsam in Angriff nehmen können, und uns das Geld dafür besorgen, sagen Sie es bitte.
Wie wäre es, wenn Sie zusammen den nächsten James Bond drehten?
Lana Wachowski Wollen Sie, dass wir uns hier gleich vor Ihnen die Kehle durchschneiden?
Stefan Stosch führte das Interview.