Zeitgeschichte im Werbefilm "Wir Hausfrauen wüssten gern Bescheid"

Düsseldorf (RPO). Obwohl sie nur für Hautcreme, "Mondamin" oder das neueste Staubsaugermodell werben, sind Reklamefilme auch historische Dokumente. Mode, Einrichtungen, sogar das Verhalten der Figuren spiegeln das Lebensgefühl einer Epoche. Eine neue DVD-Box stellt nun frühe Werbefilm-Klassiker vor.

"Hauptrolle: Hausfrau" - Werbefilm-Klassiker auf DVD
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"Hauptrolle: Hausfrau" - Werbefilm-Klassiker auf DVD

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Wenn Werbefilme in die Jahre kommen, verändern sie ihren Charakter. Dann sind sie keine schlichten Reklamefilmchen mehr, abhängig vom Produkt, sondern Zeitdokumente. Denn in ihnen spiegelt sich der Stil einer Epoche — Mode , Frisuren, Einrichtungen lassen sich bestaunen, Sprachgebrauch belauschen, ja selbst die Mentalität einer Zeit wird erkennbar.

Sogar besonders deutlich, denn Werbefilmer müssen alles daran setzen, ihr Produkt zeitgemäß erscheinen zu lassen, am besten sogar ein wenig der Zeit voraus. Also werden bei Kulissenbau und Figurenausstattung die neuesten Trends beachtet. Und weil der Zuschauer sich sofort identifizieren soll, verhalten sich die Menschen in Werbefilmen wie Prototypen ihrer Zeit.

Blonde Vorzeigekinder eilen zu Mutti in die Küche

In einer neuen DVD-Box hat das Kölner Unternehmen Tackerfilm jetzt Werbefilm-Klassiker aus den Jahren von etwa 1930 bis 1960 zusammengetragen und thematisch sortiert. Auf fünf DVD sind so Reklame- Collagen zu sehen, in denen es um Lebensmittel, Hausfrauenleben, Kosmetik, Reinigungsmittel und um das Thema Geld geht. Ein Sprecher aus dem Off führt zu Beginn kurz in die Zeit ein.

Da eilen 1936 blonde Vorzeigekinder zu Mutti in die Küche, um den Wackelpeter zu bestaunen, den die Hausfrau mit "Mondamin" in Paradeform gebracht hat. Heile Welt am Küchenherd. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der geglückten Währungsreform entwirft der Werbefilm Schlaraffenländer.

Untertassen fliegen in einem Zeichentrickfilm aus dem Himmel in die wiederaufgebauten Wohnstuben, die Kannenwärmerinnen können nur noch staunen: Es gibt wieder Kaffee. Und schon bald werden die ersten Fertigprodukte angepriesen, Fabrikkekse, Tütensuppen, man hat schon Besseres zu tun, als Gemüse zu schrubben.

Tipps im Gouvernantenstil

Auffällig ist, dass die meisten Werbefilme aus der Nachkriegszeit in Reimform gehalten sind und einen belehrenden Ton gar nicht erst zu verhehlen versuchen. Besonders deutlich wird das bei den Werbefilmen zum Thema Geld. Der junge Konsument wird angehalten, seine sauer verdienten Scheine und Münzen nicht mehr in den Sparstrumpf zu stecken, sondern zum Geldhaus zu tragen.

Naiv gehaltene Zeichentrickfilme zeigen dumme Pelztiere, wie sie ihr Erspartes unter die Matratze schieben, die Elster wartet schon im Fensterrahmen, schon ist Kleinsparers Schatz stibitzt. Dazu gibt's dann Reime wie "wertbeständig bleibt dein Geld, wenn's die Sparkasse erhält".

In anderen Filmen werden "das kluge" und das "leichtsinnige Portemonnaie" durch ihr Leben begleitet, schwer zu raten, auf welche Lederbörse das Happy End wartet. Oder Frauen bekommen im Gouvernantenstil Tipps für den sparsamen Einkauf. Auch dabei darf ein Reim nicht fehlen: "Wir Hausfrauen wüssten gern Bescheid, wir sind bereit zur Sparsamkeit." Man muss diese schlichten Werbefilme betrachten, um zu ermessen, was die Frauenbewegung in den vergangenen 50 Jahren erreicht hat.

Licht schadet nicht

Besonders aufschlussreich sind die Filme über das Essen, denn wenn für die ersten Knabbersnacks geworben wird oder Frau Antje aus Holland erklärt, wie man Toast Hawaii brutzelt, dann rücken Partykeller, kalte Platten, die ersten selbstgezimmerten Bars im Wohnzimmer in den Blick. Manchmal wird auch noch schlicht Produktaufklärung betrieben, wenn der väterliche Kramladenbesitzer seiner Angestellten erklärt, dass Salzstangen ruhig in durchsichtiger Verpackung verkauft werden können, weil Licht ihnen nicht schade.

Am Kunstvollsten erscheint allerdings die Kosmetikwerbung in der Zusammenschau dieser DVD-Sammlung. Junge Frauen probieren Cremes, Make-ups (natürlich aus Paris oder Hollywood) oder ominöse Schönheitsgerätschaften wie den "Smoothy", der sacht über die Haut brummelt und angeblich durch Infrarotstrahlen und Kontaktwärme für Verjüngung sorgt.

Man ist dann überrascht, dass die Leute schon vor 50 Jahren auf derlei Unsinn hereingefallen sind. Und ein wenig erschöpft nach so viel charmanten Empfehlungen irgendwelcher Dinge, die am Ende auch Geschichte machen.

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