Schweden führt Geschlechter-Test ein Wie frauenfeindlich sind Kinofilme?

Stockholm · Als erstes europäisches Land führt Schweden für die Bewertung von Filmen den "Bechdel-Test" ein, mit dem in den USA geprüft wird, ob ein Film das Verhältnis der Geschlechter verzerrt darstellt. Erstaunlich viele Filme fallen durch.

Erst war es nur eine Initiative von vier Kinos, nun machen auch das nationale schwedische Filminstitut und ein Fernsehsender mit: Neben der Altersfreigabe wird künftig ausgewiesen, ob der Film das Verhältnis der Geschlechter verzerrt bis frauenfeindlich darstellt. Ein "A-Rating" erhalten nur Filme, die den sogenannten "Bechdel-Test" bestehen, der aus drei simplen Fragen besteht (siehe Info-Box).

Das Erstaunliche ist, in wie vielen populären Kino- und Fernsehfilmen weniger als zwei Frauen vorkommen (die einen Namen haben und nicht nur schmückendes Beiwerk sind), die miteinander sprechen, und deren Gesprächsthema nicht ausschließlich Männer-bezogen ist. So fällt die komplette "Star Wars"-Saga bei diesem Test durch: Denn natürlich gibt es dort weibliche Hauptrollen. Aber man erinnert sich nicht wirklich an Szenen, in denen die weiblichen Hauptdarsteller miteinander reden. Und schon gar nicht über etwas anderes als Männer.

Während der jüngste James-Bond-Film "Skyfall" den Test mühelos besteht, fallen hochgelobte Kino-Filme wie "Avatar", "Lost in Translation" oder das Oscar-gekrönte deutsche Stasi-Drama "Das Leben der anderen" krachend durch. Nicht nur fast komplette Produktionsjahre scheitern. Wird es im Kino oder Fernsehen romantisch, ist die Frauen-Darstellung nahezu ausschließlich Männer-bezogen. Von "Dirty Dancing" mag man das erwarten, von "Harry und Sally" vielleicht weniger, wogegen "Pretty Woman" wenigstens eine Szene hat, in der es erst nicht um Männer geht.

Regisseurinnen sind in Hollywood Mangelware

Benannt ist der Bechdel-Test nach der amerikanischen Comic-Zeichnerin Alison Bechdel, die allerdings immer darauf hingewiesen hat, dass die Idee von einer Freundin stammte. In ihrer Comic-Geschichte "The Rule" (Die Regel) von 1985 ließ Bechdel eine ihrer Figuren sagen, sie sehe sich überhaupt nur noch Filme an, in denen mindestens zwei Frauen mitspielen, die sich miteinander unterhalten, und zwar über etwas anderes als Männer. Vor allem amerikanische TV-Sender achten inzwischen darauf, dass ihre Erfolgsproduktionen den Test bestehen.

Wie verzerrt das Geschlechterverhältnis auf der Leinwand und auf dem Bildschirm noch immer dargestellt wird, ist längst auch wissenschaftlich belegt. Ein Universitäts-Institut in Los Angeles kam für das Produktionsjahr 2008 nach Untersuchung von 4370 Sprecherrollen in den 100 Top-Filmen zu dem Ergebnis, dass davon lediglich 32,8 Prozent Frauen waren. Und die Erklärung lieferte das Institut gleich mit: Hinter der Kamera waren bei diesen Filmen nahezu keine Regisseurinnen (acht Prozent), nur wenige Drehbuch-Autorinnen (13,6 Prozent) und nicht einmal bei jedem fünften Film (19,1 Prozent) Produzentinnen tätig. Woraus sich ebenfalls erklärte, in welchen Darstellungen dieser Filme Frauen im Verhältnis zu Männern deutlich überrepräsentiert waren: Deutlich mehr Frauen als Männer trugen in diesen Filmen sexuell betonte Kleidung (39,8 Prozent zu 6,7 Prozent), wurden teilweise nackt gezeigt (30,1 zu 10,3 Prozent), waren sehr schlank (35,1 zu 13,6 Prozent) und auffallend attraktiv (29,2 zu 11,1 Prozent).

Obwohl angesichts der Tatsache, dass Frauen mehr als die Hälfte der US-Bevölkerung repräsentierten, der weibliche Anteil an den Sprechrollen mit nicht einmal einem Drittel "grob unausgewogen" sei, sei dies zugleich der höchste Frauen-Anteil in Filmen, den man je habe ermitteln können, erklärte das Institut.

(RP)
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