Neue Dokumentation startet im Kino Von ganz früher will Fischer wenig wissen

Berlin (RPO). Joschka Fischers Leben hat Deutschland viele Jahre beschäftigt. Seine Wandlung vom Steinewerfer zum Turnschuhminister und deutschen Vizekanzler ist ein wuchtiges Stück Zeitgeschichte. In einer neuen Kino-Doku blickt der 63-Jährige kommentierend zurück. Über seine Sponti-Zeit verrät Fischer wenig. Spannend und sehenswert wird "Joschka und Herr Fischer" dann in der zweiten Hälfte des Films.

Joschka Fischers Leben kommt ins Kino
8 Bilder

Joschka Fischers Leben kommt ins Kino

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In seiner Dokumentation "Joschka und Herr Fischer" blickt Regisseur Pepe Danquart gemeinsam mit dem ehemaligen Außenminister auf 60 Jahre Bundesrepublik Deutschland zurück. Die Biografie des Politikers bildet in dem mehr als zweistündigen Werk den roten Faden, um den Stützpfeilern der deutschen Nachkriegsgeschichte ein Gesicht zu geben.

Danquart präsentiert Bilder vom Kriegsende, vom Aufbau, von Studentenunruhen und der Wiedervereinigung. Dazu berichtet Fischer, wie er die jeweiligen Zeitabschnitte miterlebt hat und wie aus dem rebellischen Joschka der staatstragende Herr Fischer wurde. Auch andere Zeitzeugen und Wegbegleiter wie Hans Koschnick, Katharina Thalbach oder Daniel Cohn-Bendit kommen zu Wort.

Turnschuhe und Farbbeutelattacken

Die historischen Exkurse bringen dem Zuschauer allerdings kaum neue Erkenntnisse. Auch über Fischers Mitwirken bei der 68er-Bewegung hält sich der Film bedeckt. Fischer hat mit diesem Teil seiner persönlichen Vergangenheit ganz offensichtlich abgeschlossen. Vor der Kamera verhält er sich dementsprechend bedeckt und reserviert.

Erst mit dem Einzug von Herrn Fischer auf die parlamentarische Bühne wendet sich das Blatt. Vollkommen unvermittelt öffnet der Porträtierte sein Innenleben und plaudert offen über Gefühle und Empfindungen. Der Zuschauer ist plötzlich hautnah dabei.

Natürlich darf in diesem Zusammenhang Fischers legendäre Vereidigung vor dem hessischen Landtag nicht fehlen. Auch die Farbbeutelattacke gegen ihn auf dem Parteitag der Grünen 1999 wird angesprochen — wobei Fischer in diesem Zusammenhang noch einmal seinen Wandel vom Pazifisten zum Kriegseinsatzbefürworter im Kosovo erklärt.

Intime Bekenntnisse eines Politikers

Seinen vielleicht stärksten Moment hat der Film, als Fischer über den Tag seiner Ernennung zum hessischen Umwelt- und Energieminister spricht. Damals, 1985, war er ein unbedarfter Politiker in einer Partei ohne Machterfahrung. Die innere Leere, gepaart mit einer gewissen Hilflosigkeit, von der Fischer berichtet, lässt sich spürbar nachfühlen.

Über Joschka, den APO-Aktivisten, erzählt der Film wenig, über Herrn Fischer, den Politiker, erfährt der Zuschauer dafür umso mehr. Und exakt wegen ihrer starken zweiten Filmhälfte ist Danquarts Dokumentation spannend, informativ und sehenswert.

(DAPD/csi)
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