"The Walk" Seiltänzer über den Wolken

"The Walk" erzählt die faszinierende Geschichte des Mannes, der auf einem Draht zwischen den Twin Towers in New York spazierte.

Früh am 7. August 1974 rissen Passanten am neuen World Trade Center in New York ungläubig ihre Köpfe hoch: Ein Mann lief auf einem Seil in atemberaubender Höhe zwischen den beiden gewaltigen Türmen. Der Franzose Philippe Petit verbrachte an diesem Morgen rund eine Dreiviertelstunde auf dem heimlich gespannten Seil. Der 24-Jährige überquerte acht Mal den Abgrund, lag auf dem Rücken, kniete über dem Publikum nieder. In 400 Meter Höhe, ohne Sicherungsseil.

Der Film "The Walk" schafft mehr, als nur die Geschichte des waghalsigen "Coups" zu erzählen, wie Petit selbst stets sein Unterfangen nannte. Regisseur Robert Zemeckis ("Zurück in die Zukunft", "Forrest Gump", "Verschollen") gelingt dank 3D-Technik etwas Außergewöhnliches: Er bringt die Zuschauer neben Petit auf das Dach des Wolkenkratzers und auf das Seil, lässt sie tief in die Häuserschlucht blicken und den Sonnenaufgang über New York erleben.

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Schauspieler Joseph Gordon-Levitt, der Petit spielt, wurde in die Kunst des Seiltanzes vom heute 66-jährigen Franzosen selbst eingeführt. Nach einer Woche konnte er auf einem Seil in rund vier Meter Höhe laufen. "Schon dort hat man Respekt", sagt er.

Zemeckis kämpfte fast zehn Jahre darum, "The Walk" zu machen. Er entdeckte Petits Aktion in einem Kinderbuch und war sofort fasziniert. Er überzeugte Petit, ihn einen Film darüber drehen zu lassen. Disney+ wollte das Projekt finanzieren, zog dann aber den Stecker. Danach winkte jedes Studio, bei dem Zemeckis Klinken putzen ging, ab. "Es ist eine einzigartige Geschichte - und die sind in Hollywood jetzt sehr schwer durchzusetzen", sagt Zemeckis. Er drehte den 3D-Film schließlich für sagenhaft günstige 35 Millionen Dollar, was man dem Werk überhaupt nicht ansieht. Das Warten hat sich gelohnt, weil sich in dieser Zeit die Technologie weiterentwickelt hat: "Vor zehn Jahren wäre der Film viel, viel teurer geworden."

Petit war ein Teenager, als er in einer Zeitschrift eine Zeichnung der geplanten gewaltigen Türme sah und von der Idee besessen wurde, zwischen ihnen zu laufen. Der Traum ließ ihn nicht mehr los. Er übte, plante, suchte Komplizen, lief zwischen den vergleichsweise niedrigen, aber auch halsbrecherisch hohen Türmen der Kathedrale von Notre Dame in Paris.

Zemeckis erzählt die Geschichte von dem Jungen aus bürgerlichem Hause, der zum Straßenkünstler wurde, wie ein Märchen. Die Figur Petits kommt dabei romantischer rüber als in der vor einigen Jahren gedrehten Dokumentation "Man On Wire". So erzählt "The Walk" die Liebesgeschichte von Petit und seiner Freundin Annie, lässt aber großzügig aus, dass er kurz nach seinem Spaziergang im Bett mit einem weiblichen Fan landete. "Der Film ist eher ein Gemälde als eine technische Zeichnung zu den Ereignissen", verteidigt Zemeckis die Entscheidung. "In der Dokumentation kamen die echten Teilnehmer bereits zu Wort. Ich wollte, dass die Zuschauer die Leidenschaft von Philippe verstehen."

Zemeckis hofft, 3D-Effekte nach der Kritik an dem Format sinnvoll eingesetzt zu haben - diese Geschichte musste in dreidimensionalen Bildern erzählt werden. Ihm ist bewusst, dass die Zuschauer den Film auch mit der Last ihrer Erinnerungen an die tragische Zerstörung des World Trade Center am 11. September 2001 sehen werden. "So wird die Geschichte zum Mythos."

(RP)
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