Debatte Warum "Star Trek" besser ist als "Star Wars"

Düsseldorf · "Star Wars" punktet mit ikonischen Bildern und Tönen, der ewige Rivale mit Mut zur Utopie, Progressivität und Charakterzeichnung. Ein Einwurf zum Höhepunkt des Hypes.

Star Wars vs. Star Trek: Warum "Star Trek" besser ist
Foto: Alain Rivard

Zugegeben, die Idee des Lichtschwerts war eine sensationelle. Doch diese "elegante Waffe aus zivilisierteren Tagen" steht im Zentrum einer Saga, in der ansonsten allzu vieles per Holzhammer läuft. Dem x-ten Aufguss des Kampfs von David gegen Goliath verquirlt mit einem Familienschicksal und esoterisch verbrämten Binsenweisheiten fehlen jegliche Leitmotive außer Gigantomanie und Krieg. Im Verzicht auf Grautöne ist "Star Wars" beinahe beleidigend.

Die Ästhetik der Saga (Darth Vaders Maske! Die markanten Formen der Raumschiffe!) war wegweisend, ihre Bilder und Töne epochal — inhaltlich allerdings backt George Lucas umso kleinere Brötchen: Die einen sind edel und stark, die anderen abgrundtief böse und mächtig in der Überzahl, aber die Guten gewinnen natürlich, und vor dem Abspann gibt es zwischen den Genoziden immer auch was zu Lachen über Dicke und Doofe. Diese schamlose Unterkomplexität ist ein Hauptgarant für den Erfolg des Epos. Das wird bereits an der Sprache deutlich: Sternzerstörer und Supersternzerstörer, Todesstern und noch größerer Todesstern 2 — das Arsenal des bösen Imperiums versteht jedes Kleinkind.

Bei allem Respekt für Lucas' vor allem filmtechnische Leistung bevorzuge ich die vom Idealisten Gene Roddenberry erdachte "Sternenflotte", die sich auf dem "Star Trek" befindet — der großen Reise durch die Galaxie mit dem Ziel, so viel wie irgend möglich zu entdecken und zu verstehen. Bis heute leben alle Produktionen unter diesem Obertitel vom Mut zur Utopie und thematisieren die Herausforderung zu Kommunikation, Kooperation, Vertrauen, Freundschaft, Frieden, Loyalität und Liebe.

Progressivität, die Martin Luther King zum Fan machte

Bereits die erste Serie ("Raumschiff Enterprise") 1966 setzte in dieser Hinsicht Zeichen — mitten im Kalten Krieg durfte sensationell der Russe Pavel Chekov für die Waffen des in den USA als amerikanisch verstandenen Flaggschiffs der Forscher abfeuern. Am Steuer saß mit Hikaru Sulu ein Vertreter Japans (trotz Pearl Harbor!). Das Funkgerät bediente in Nichelle Nichols nicht nur eine Frau saß, sondern eine afroamerikanischer Herkunft obendrein. Ihr inniger Kuss mit Captain James T. Kirk löste einen Aufschrei und riesige Debatten aus. Nichols hatte die Serie nach der ersten Staffel verlassen wollen — Martin Luther King persönlich überredete sie zum Weitermachen. Dieser progressive Geist, der nie penetrant moralistisch wirkt, zieht sich genau wie die Mahnung zum kritischen Denken gegenüber Politik, Religion und auch Wissenschaft durch alle Serien und Filme.

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Darin verhandelt "Star Trek" zwischen bunten Pappmaché-Panoramen und glatten, hellen Raumschiff-Interieurs stets, was uns als Menschen ausmacht — gegenüber intelligenten Robotern (Mr. Data), Hologrammen (namenloser Schiffsarzt der "Voyager") und Alienrassen. Deren Vertreter sind anders als oft bei "Star Wars" kein Freakshow-Selbstzweck, sondern illustrieren, wohin eine Überbetonung menschlicher Charakteristika wie Logik (Mr. Spock, der Vulkanier), Aggression (Klingonen) oder Gier (Ferengi) führt.

Und während man sich bei "Star Wars", kaum sind die Wunden geleckt, immer bloß für die nächste Schlacht rüstet, nutzt "Star Trek" den fraglosen Luxus seiner hunderte Stunden umfassenden Sendezeit zu Charakterzeichnung und dem Aufwerfen großer Fragen.

Kein Vorwurf an "Star Wars"

In "Star Wars" legt der adipöse Superschurke Jabba die edle Prinzessin Leia in Ketten — mit denen sie ihn am Ende erwürgt. Gut und schön. "Star Trek" ist meist ungleich subtiler, Ketten sind hier meist metaphorischer Art. Häufig geht es um die Schwierigkeit, die "Erste Direktive" einzuhalten: Nichteinmischung in die Angelegenheiten fremder Völker, was so einfach klingt und so schwierig ist. Und viele der 176 Folgen der Serie "Deep Space Nine" behandelt den Fallout der 40-jährigen brutalen Besetzung und Ausbeutung eines ganzen Planeten, die deutliche Parallelen zum Terror des NS-Regimes aufweist — und eben nicht nur aggressiven Widerstand, sondern auch durch diplomatischen Druck beendet wurde.

Statt auf hanebüchene Fantasy wie "Star Wars" (900 Meter lange Weltraum-Schnecken, die Raumschiffe fressen...) setzt "Star Trek" auf Science-Fiction im Wortsinn — kühn erdachten, aber in sich logischen technischen Fortschritt, der erhebenderweise jeden Materialismus unter den Hauptprotagonisten überflüssig macht, weil sich praktisch jeder überallhin "beamen" und sich alles selbst in "Replikatoren" herstellen kann. Umso prominenter werden menschliche Makel wie Mängel an emotionaler und moralischer Reife thematisiert. Die Ehre der Erfindung des "Warp-Antriebs" für Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit durch Kollision von Materie und Antimaterie, quasi der Urknall des "Star Trek"-Kosmos, kommt in diesem Universum einem manisch-depressiven Alkoholiker zu.

Fortschritt, Frieden, Rettung ist möglich — das ist das "Star Trek"-Credo.

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"Star Wars" bietet keine Zukunftsvision — es hat nicht einmal Interesse daran. Die "Space Opera" spielt allerdings auch nicht im 24. Jahrhundert, sondern vor "langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxie". Aus seiner Rückwärtsgewandtheit ist dem Popcornkino daher überhaupt kein Vorwurf zu machen. Es ist, was es sein will: viel beeindruckende Optik, viel James Bond und Indiana Jones, und ein Schuss GZSZ (Das Traumpaar Luke Skywalker und Prinzessin Leia sind — huch! Zwillinge!).

Annäherung durch J.J. Abrams

"Star Trek" mag ein Fall für für Streber sein, für die uncooleren unter den Nerds, aber das tragen sie mannhaft, weil sie mehr wollen als actionreiche Kurzweil mit coolen Sprüchen. Seine Protagonisten wollen "mutig dorthin gehen, wo noch kein Mensch zuvor gewesen ist". Dabei kämpfen sie nicht gegen die dunkle Seite der ominösen "Macht", sondern mit ihren eigenen Unzulänglichkeiten und denen der anderen, mit Bürokratie und Liebe sowie dem Immer-wieder-Scheitern an Integration und anderen Idealen.

Aktuell scheinen sich "Star Wars" und "Star Trek" einander allerdings anzunähern. Nach den landläufig als misslungen betrachteten "Star Wars"-Episoden I bis III gab es nämlich ab 2009 den actionlastigen "Reboot", also Neustart des "Star Trek"-Universums (in einem Paralleluniversum) zu sehen. Verantwortlich dafür: J.J. Abrams. Das aktuelle Projekt dieses großen Versöhners von Explosionen und Emotionen: der brandaktuelle Kino-Blockbuster "Star Wars: Das Erwachen der Macht" — der den ersten Kritiken zufolge wiederum zum Niveau von "Star Trek" aufschließt.

"All is well" also, um mit "Harry Potter"-Erfinderin Joanne K. Rowling zu sprechen? Mitnichten. Macht aber auch nix. Ganz im Gegenteil: das kontroverse Vergleichen von "Star Wars"-Äpfeln mit "Star Trek"-Birnen ist selbst längst zur Kunstform avanciert.

(tojo)
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