Von "grauenhaft" bis "ein Meisterwerk" "Schneeland": Premiere in Köln

Köln (rpo). Die Literaturverfilmung "Schneeland" mit Julia Jentsch und Maria Schrader hat am Dienstagabend im Kölner Cinenova Premiere gefeiert. Schauspieler, Regisseur Hans W. Geißendörfer und Ehrengäste bemühten sich, gute Laune zu verbreiten, denn "Schneeland" gehört nicht gerade zu den Filmen, die die Stimmung heben.

Schneeland
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Foto: Kinowelt

Sexueller Missbrauch durch den eigenen Vater ist neben verzweifelter Trauer und einer tragisch endenden Liebesgeschichte das Hauptthema des Films, der auf dem Roman "Hohaj" der Schwedin Elisabeth Rynell basiert. Geißendörfer, der auch Produzent der Fernsehserie "Lindenstraße" ist, erspart dem Publikum nichts: Man sieht detailliert, wie das Bauernmädchen Ina (Julia Jentsch) von ihrem Vater (Ulrich Mühe) vergewaltigt und mit einem Stock auf den bloßen Hintern geschlagen wird, oder wie sie ihm den kotverschmierten Hintern säubert. Die Kamera zeigt erbarmungslos alles.

Kein Wunder, dass sich schon viele während der Vorstellung fragten, ab wie viel Jahren der Film freigegeben sei. "Ab zwölf Jahren", sagt Geißendörfer, der über die Alterseinstufung selbst erstaunt ist. Unter dem Publikum waren neben Ehefrau Jane auch die Töchter Lilli (22), Hana (20) und Jessica (14). Seiner Jüngsten habe Geißendörfer vor der Premiere ausführlich die Thematik des Filmes erklärt, um sie auf alle Szenen vorzubereiten.

Die Meinungen über den Film gehen auseinander - von "grauenhaft" bis "ein Meisterwerk". Ein Wunder ist das nicht: Einerseits ist sexueller Missbrauch ein Tabuthema, das man nicht so realistisch und schonungslos auf der Leinwand ansehen möchte. Andererseits ist "Schneeland" ein sehr gut erzählter Film mit hochkarätiger Besetzung. Besonders Julia Jentsch, die bald auch als "Sophie Scholl" zu sehen ist, erntete beim Publikum viel Applaus.

"Mir ist lieber, wenn ein Film polarisiert. Ein wirklich guter Film kann nämlich nicht allen gefallen", findet Oliver Stokowski, einer der Hauptdarsteller. Er selbst hat den Film am Dienstagabend auch zum ersten Mal gesehen und braucht erst einmal ein wenig, um in Premierenlaune zu kommen. Franz Rampelmann alias Olaf Kling, der wie die meisten seiner Kollegen von der "Lindenstraße", zu den Gästen zählte, brachte es am besten auf den Punkt: "Ohne ein Bier danach ist der Film schwer zu verdauen." Dass das "richtige Getränk hilft", scheint zu stimmen. Die fröhlichen Gesichter waren jedenfalls später in der Mehrzahl.

Das dürfte Geißendörfers Nerven gut getan haben. Obwohl "Schneeland" schon einen Tag zuvor beim Max-Ophüls-Festival gezeigt wurde und er schon dort Blut und Wasser geschwitzt hatte, war Geißendörfer nach wie vor angespannt: "Ich habe bei jeder Premiere sechs Ohren. Wenn jemand während der Vorstellung auf Toilette muss, ist das schon eine Katastrophe, weil ich denke, dass er den Film nicht mag und deswegen den Saal verlässt. Ein Regisseur ist halt eben ein hysterisches Huhn." Aus dem Schwitzen wird er vermutlich erst einmal nicht herauskommen. Denn am Donnerstag ist nicht nur Kinostart in Deutschland, sondern der Film wird auch beim Sundance-Festival in den USA gezeigt.

(afp)
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