Neue Bedingungen für „Besten Film“ Mutlose Aktion der Oscar-Academy

Meinung · Frauen und Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe sollen endlich zu ihrem Recht kommen. Mit neuen Regeln will man ab 2024 ihre Repräsentation sichern. Doch die Pläne reichen nicht weit genug.

 Auch Minderheiten werden bei den Oscars oft übersehen.

Auch Minderheiten werden bei den Oscars oft übersehen.

Foto: dpa/Seth Wenig

Die Academy, die in Los Angeles jedes Jahr die Oscars vergibt, hat die Bedingungen geändert, unter denen eine Produktion künftig die Chance bekommt, ins Rennen um den „Besten Film“ zu gehen. Zu dem Schritt sah sich der Verband gedrängt, weil trotz vieler Versprechungen weiterhin vor allem das weiße, männliche und westliche Kino durch die Oscars repräsentiert wird. Man habe neue Inklusionsstandards geschaffen, um „die Diversität der Weltbevölkerung widerzuspiegeln“, sagte Academy-Präsident David Rubin. Wenn man sich die Änderungsankündigung, die ab 2024 greifen soll, en detail ansieht, darf man indes bezweifeln, dass sie entscheidende Verbesserungen bewirken wird.

Alle Beiträge, die künftig um den „Besten Film“ konkurrieren wollen, müssen zwei von vier möglichen Kategorien erfüllen. Die Kategorien umfassen Repräsentation a) auf der Leinwand, b) im Kreativteam, c) in der Industrie und d) im Marketing. Es gibt für jede Kategorie gesondert mehrere Möglichkeiten, die Standards zu erfüllen. Für a) etwa diese: Entweder mindestens eine Haupt- oder eine wichtige Nebenrolle ist mit einer Person besetzt, die einer ethnischen Minderheit angehört. Oder mindestens 30 Prozent der Zweitrollen werden von einer unterrepräsentierten Gruppe besetzt. Oder der Film selbst handelt von einer unterrepräsentierten Gruppe.

Für die anderen Kategorien setzt sich der Wunsch nach Repräsentation von Frauen und Minderheiten fort, etwa durch die Auflage, im Team, das den Film herstellt, müssen entweder Personen mit körperlichen Einschränkungen angestellt sein oder Menschen aus Asien oder Afrika. Die Liste ist sehr detailliert, und jede Produktion, die zwei der vier Kriterien erfüllt, ist zugelassen.

Die neue Regelung zeigt, wie verzweifelt sich die Academy um Veränderung bemüht. Und wie hilflos. Denn wahrscheinlich erfüllen schon jetzt fast alle bislang nominierten Filme die genannten Standards. Wer keine Frau als Hauptdarstellerin bieten kann, sucht sich eben andere Kategorien aus; zur Not stellt die Produktionsfirma einen asiatischen Praktikanten ein. So klingt dieser Schritt der Academy doch arg nach Feigenblatt. Immerhin – das mag man ihr nicht absprechen – könnte sie mit der Aktion das Bewusstsein schärfen, dass vor allem andere Menschen ins Kino gehen als mittelalte Männer.

Warum schafft die Academy nicht den Preis für den „Besten nicht-englischsprachigen Film“ ab und ehrt allein den besten Film der Welt? Warum diese Trennung? Und: Warum löst sie sich nicht auf, um eine angemessene, neue Zusammensetzung zu ermöglichen? Dann wären nicht mehr bloß 32 Prozent ihrer rund 10.000 Mitglieder weiblich und nicht mehr bloß 16 Prozent nicht weiß. Dann würden andere Augen andere Filme gut finden und die Oscars an sie vergeben. So könnte man auch verhindern, dass demnächst Filme nach dem Baukasten-Prinzip gefertigt werden, damit sie die Oscar-Regeln erfüllen. Im schlimmsten Fall werden die Neuerungen den bürokratischen Aufwand des Filmemachens vergrößern, der Kreativität Fesseln anlegen. Und für die Menschen, für die der Aufwand betrieben wurde, am Ende doch nichts erreichen.

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