Schauspieler Bruno Ganz "Rollen mit Tod häufen sich"

Düsseldorf (RP). Bruno Ganz über das Risiko, Hitler zu spielen, und die Ungeheuerlichkeit des Sterbens, über seinen Freund Thomas Bernhard, die Arbeit mit Senta Berger und seinen neuen Film. Den präsentierte er am Mittwoch in Düsseldorf.

Schauspieler Bruno Ganz: "Rollen mit Tod häufen sich"
Foto: ddp, ddp

Unseren Begegnungen mit Stars wohnt häufig ein Zauber der Überraschung inne: Mal sind sie kleiner, mal größer oder dünner als gedacht — auf jeden Fall anders als jenes Bild, das sich in unserem Kopf zwangsläufig eingenistet hat. Bruno Ganz aber ist Bruno Ganz, zumindest sehr bei sich, wie er da im Gestühl des Düsseldorfer Atelier-Kinos kauert, gehüllt in einen pelzbewährten Wintermantel und dicken Schal.

Eine fast unnahbare Gestalt — freundlicher gesagt: sehr in sich ruhend. Eine menschliche Wagenburg sozusagen, die einen jetzt viel mehr an den Bunker-Hitler erinnert als an den Wenders-Engel. Oder gar an den feinen Fred, diesen gutbürgerlichen Ruheständler, den der 69-Jährige in seinem jüngsten Film "Satte Farben vor Schwarz" gibt. Dass der vielleicht größte deutsche Schauspieler diesen Film übers alte Eheleben und Ehesterben gemeinsam mit der größten deutschen Schauspielerin, Senta Berger, spielt, ist nicht verwunderlich. Aber dass beide erstmals gemeinsam vor der Kamera standen, erstaunt schon.

Dementsprechend vorsichtig sind beide miteinander umgegangen und haben bald gelernt, dass solche Rücksicht gar nicht nötig war. Man habe sich vor lauter Gutmütigkeit nicht verrenken müssen, sagt Ganz vor dem Kinopublikum. Und wie zum Beweis solch schönen Einvernehmens verrät er, dass er nichts sagen wird, "was die Senta nicht auch sagen würde". So sprechen Eheleute, keine Filmpartner.

Vielleicht ist das auch das Geheimnis dieses Bruno Ganz, der Gedanken seiner Figuren spürt und spielt und der darum nicht den Engel, nicht Hitler und Fred mimt, sondern im Augenblick seines Spiels tatsächlich der Engel ist und Hitler ist und Fred. Hitler, wird er uns später sagen, war eine "außerordentlich riskante Veranstaltung". Das hätte schiefgehen können, denn schließlich wollte er keine Parodie dieser extremen und belasteten Figur abliefern. Nachher zeigen die Leute mit dem Finger auf einen; aber das gibt sich. Jetzt wird er nur noch selten mit "Mein Führer" begrüßt. Aber die Gefahr einer Festlegung sei natürlich groß gewesen.

Dabei ist Bruno Ganz gar nicht nach Düsseldorf gekommen, um seinen so viel gerühmten und schon jetzt erfolgreichen Film vorzustellen. Ganz liest aus "Der Untergeher", einem Roman von Thomas Bernhard, seinem Freund von früher, dessen Bücher er liebt und der ihm sogar ein Theaterstück gewidmet hat. Daran aber hatte die Freundschaft sich zu bewähren, denn Ganz wollte die Berliner Schaubühne auf keinen Fall verlassen, wollte nicht zum Burgtheater. Die "Burg" aber sei für Bernhard naturgemäß das Größte gewesen, weshalb Bernhard die Absage persönlich nahm. Künstlerpech.

Dennoch glaubt man oft auch Bernhard zu hören, wenn Ganz spricht. Über die Radikalität von Kunst etwa, deren Ernsthaftigkeit. "Ich will mich eben nicht begnügen mit irgendeinem laschen Rumgehampel. Man muss das Äußerste tun, was man tun kann." Auch darum sein Abschied vom deutschen Theater, ein Abschied von Leuten somit, für die das Theater ein Ort der Ironie ist, wie er sagt.

Darum auch das Kino. Das reine Spiel. Ohne Botschaften. Selbst der gemeinsame und freiwillige Tod der Eheleute. "Wir geben keine Ratschläge", sagt Ganz, "wir haben keine Ideologie." Und was — bitte schön — soll man den Leuten, denen es wirklich schlecht geht, schon sagen? Aber das Thema rückt Ganz schon auf den Leib. "In der Tat, die Rollen mit Tod häufen sich — das ist wohl auch meinem Alter geschuldet." Ziemlich lakonisch sagt er das, lapidar. Und jetzt hat man den Eindruck, dass Bruno Ganz ein wenig spielt. Und ein wenig darüber hinwegspielt, was der Tod sein könnte. "Der Tod ist so ein mächtiges, unbegreifliches Ding, das allem, was wir kennen, ein Ende setzt. Davor ist wirklich alles lachhaft." Und so kommt Bruno Ganz am Schluss doch wieder bei Thomas Bernhard an und dessen eisigem Diktum: "Es ist alles lächerlich, wenn man an den Tod denkt."

(RP)
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