100. Geburtstag Roberto Rossellini - Schöpfer des Neorealismus'

Frankfurt/Main (rpo). Not und Elend hat er ungeschminkt auf Film gebannt und ist damit als Begründer des Neorealismus' in die Geschichte eingegangen. Der italienische Regisseur Roberto Rossellini zeigte noch während der letzten Kriegsjahre das Leiden der italienischen Bevölkerung unter deutscher Besatzung und faschistischer Diktatur. Doch ganz sauber ist seine Weste nicht: Zuvor hatte der Römer von 1941 bis 1943 drei Propagandafilme für das Mussolini-Regime gedreht. Am 8. Mai wäre Roberto Rossellini 100 Jahre alt geworden.

Roberto Rossellini zwischen Film und Frauen
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Foto: AP

Es war der 1944/45 unter schwierigsten Bedingungen entstandene Film „Rom - offene Stadt“, der diese bis dahin unbekannte Stilrichtung des Kinos begründete. Rossellini entwickelte in der figurenreichen Handlung ein Panorama des italienischen Widerstands gegen die Faschisten im eigenen Land sowie die deutschen Besatzer. In quasi dokumentarischen Bildern und vorwiegend mit Laiendarstellern erzielte er einen Realismus, die geläufige konventionelle Spielfilmhandlungen an Wirkung weit übertraf. An dem Film arbeitete auch der junge Federico Fellini mit, der Rossellinis berühmtester Schüler wurde.

Als Darstellerin mit von der Partie war Anna Magnani, die in Rossellinis künstlerischem und privatem Leben eine bedeutende Rolle spielen sollte. Auch sein nächster Film „Paisa“ war ganz nah am dramatischen Zeitgeschehen jener Jahre angesiedelt. Am Beispiel von Einzelschicksalen wurde die Befreiung Italiens durch die Alliierten geschildert. 1947 kam als dritter Teil dieser „Trilogie des Krieges“ die in der Berliner Trümmerlandschaft gedrehte Tragödie „Deutschland im Jahre Null“ hinzu. Rossellini zeigt darin die Verzweiflung eines zwölfjährigen Jungen, der durch Selbstmord endet. Aber dieser Film stieß nicht auf große Begeisterung, so düstere Stoffe waren bereits nicht mehr erwünscht.

Einmal mehr zeigte sich der Italiener flexibel und produzierte nun anspruchsvolle Spielfilme wie „Amore“ und „Franziskus, der Gaukler Gottes“, der episodisch das Leben des Franz von Assisi erzählt. Es folgten drei Arbeiten, die als „Trilogie der Einsamkeit“ in die Filmgeschichte eingegangen sind: „Stromboli“ (1949), „Europa 51“ (1952) und „Reise in Italien“ (1953). Hauptdarstellerin in allen drei Filmen war die Schwedin Ingrid Bergman, zu der Zeit bereits ein Hollywood-Star. Sie wurde Rossellinis zweite Ehefrau und Mutter von drei gemeinsamen Kindern. Für die Bergman verließ der Regisseur sowohl seine erste Frau wie auch seine Geliebte Anna Magnani - skandalös für das streng katholische Italien und für das konservative Hollywood, das ihren schwedischen Star fallen ließ.

Schöne Tochter und verflüchtigter Ruhm

Die Beziehung zwischen Rossellini und Bergman gilt noch immer als eine der großen Liebesgeschichten des 20. Jahrhunderts. Und mit Isabella Rossellini entsprang dieser Ehe, die bereits 1958 wieder geschieden wurde, eine viel bewunderte Schönheit, die ebenfalls Schauspielerin wurde und erst kürzlich in Erinnerung an ihren Vater ein Buch unter dem Titel „Im Namen des Vaters, der Tochter und der heiligen Geister“ veröffentlichte.

Ende der 50er Jahre kam Rossellini in eine künstlerische und private Krise. Er reiste nach Indien, hatte dort eine neue Romanze und versuchte in dem Film „Indien, Mutter Erde“ eine neue Erzählform zwischen Dokumentation und Fiktion zu finden. Doch konnte er sich damit weder beim Publikum noch der Kritik durchsetzen. In der vom Fernsehen ausgelösten großen Kinokrise Mitte der 60er Jahre verkündete der Regisseur: „Der Kinofilm ist tot“. Von nun an arbeitete Rossellini fast ausschließlich für TV-Produktionen. Seine letzte Arbeit war 1977 ein Dokumentarfilm über das Pariser „Centre Pompidou“.

Im Mai des gleichen Jahres stand Rossellini als Vorsitzender der Jury des Filmfestivals in Cannes noch einmal im Mittelpunkt. Doch schon am 3. Juni 1977 erlag der Filmemacher in Rom einem Herzinfarkt. Von seinem umfangreichen Werk ist in Deutschland nur „Rom, offene Stadt“ als DVD erhältlich. In Rossellinis Heimatland ist es um die Verfügbarkeit seiner Filme kaum besser bestellt. Der 100. Geburtstag des italienischen Regisseurs bietet Anlass zur Neuentdeckung eines fast vergessenen Künstlers, der viel riskierte und dem nicht alles gelang, dessen Namen mit dem Neorealismus aber untrennbar verbunden bleibt.

(apbackup2)
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