Interview zum Filmklassiker Regisseur Cameron zu 25 Jahren „Titanic“ – „Emotionen und Spektakel“

München · Vor 25 Jahren schrieb der Klassiker „Titanic“ Filmgeschichte und machte Regisseur James Cameron zum Superstar. Im dpa-Interview spricht er über damals und erklärt, warum er aus Jack lieber einen Linkshänder hätte machen sollen.

 Regisseur James Cameron posiert bei den AFI Awards 2023 in Los Angeles.

Regisseur James Cameron posiert bei den AFI Awards 2023 in Los Angeles.

Foto: dpa/Chris Pizzello

Es ist jetzt ein Vierteljahrhundert her, dass Regisseur James Cameron mit dem Untergangsdrama „Titanic“ Filmgeschichte schrieb. Zum Jubiläum kommt der Klassiker mit Leonardo DiCaprio - technisch aufgemotzt - noch einmal in die Kinos. Denn da gehört er aus Sicht Camerons hin, wie der 68-Jährige im Interview der Deutschen Presse-Agentur sagt. Darin erinnert er sich an herausfordernde Dreharbeiten, Spucktraining mit Kate Winslet und erzählt auch, was er anders machte, würde er die Schiffskatastrophe heute noch einmal verfilmen.

Denken Sie noch oft zurück an damals?

James Cameron: Oft würde ich jetzt nicht sagen. Ich habe aber viele Freunde, die sich mit der Titanic, ihrer Geschichte und neuen Forschungsergebnissen befassen. Ich kriege ständig Mails von Leuten, die meine Meinung zu diesem oder jenem haben wollen und wir sind permanent dabei, unser Modell und unsere Rekonstruktion der Ereignisse zu überdenken und abzugleichen mit neuen Erkenntnissen, die über die Geschichte und die Beschaffenheit des Wracks ans Tageslicht kommen.

Also ich denke nicht ständig daran, nein, aber ich denke auf jeden Fall öfter an die Dreharbeiten. Immer, wenn ich Kate Winslet hin und wieder mal sehe, lachen wir über die Zeit damals, als sie ja im Grunde noch ein Kind war, 19 Jahre alt. Ich kann mich kristallklar an jede einzelne Szene erinnern und wie es war, an diesem gigantischen Set zu stehen und den Leuten zu sagen, was sie tun, wie sie sich bewegen, wie sie schreien und wie sie reagieren sollen. Wie ich Kate beigebracht habe, wie sie über die Reling spucken soll und so etwas. Ich kann mit totaler Klarheit zu diesen Momenten zurückkehren und erinnere mich an die Dreharbeiten sogar besser als an den Film selbst. Den habe ich in Gänze schon eine sehr lange Zeit nicht mehr gesehen.

Wann denn zuletzt?

Cameron: Ein bisschen was habe ich gesehen, als ich mir das Ergebnis der aktuellen Überarbeitung angeschaut habe, da habe ich das erste Drittel gesehen, aber das ganze Ding wollte ich mir nicht anschauen. Ich habe ein wirklich gutes Team und die haben mir versichert, dass alles gut ist. Ich glaube, ich schaue ihn mir zusammen mit dem Publikum an, wenn er rauskommt. Komplett gesehen habe ich den Film wahrscheinlich vor zehn Jahren das letzte Mal, als wir ihn in 3D konvertiert haben.

Wenn Sie immer wieder Neues lernen über die Titanic und ihren Untergang – würden Sie den Film heute anders drehen?

Cameron: Gute Frage. Unsere Analyse hat gezeigt, dass wir das Auseinanderbrechen des Schiffs erstaunlicherweise auch damals schon weitgehend richtig gezeigt haben, obwohl es sehr wenig Forschung dazu gab – und sehr unterschiedliche Berichte von Augenzeugen. Die offizielle Version war ja, dass die Titanic überhaupt nicht auseinandergebrochen ist. Das hat zum Beispiel auch der Zweite Offizier Lightoller gesagt, aber da ging es dann wohl in erster Linie darum, wenigstens das Andenken an die Gestalt des Schiffes zu bewahren.

Tatsächlich ist das Schiff aber zerbrochen, wie ja dann bei den Tauchgängen zum Wrack auch bewiesen wurde. Im Film sind wir an dem Wie des Auseinanderbrechens sehr nah dran, wenn auch nicht hundertprozentig. Wir zeigen, wie das Schiff aufsteigt, zerbricht, auf das Wasser aufschlägt und sich das Einzelteil dann wieder aufstellt und senkrecht versinkt. Dieses Aufschlagen auf das Wasser kann es so aber nicht gegeben haben, also würde ich diese acht Sekunden rausschneiden, wenn ich den Film nochmal machen würde.

Und unabhängig von diesen analytischen Details - finden Sie, Ihr Film ist gut gealtert?

Cameron: Ja, das denke ich. Ich finde, er sieht immer noch großartig aus - noch großartiger sogar als bei seinem Erscheinen, weil wir ihn ja in 4K und 3D umgewandelt haben. Das sieht einfach spektakulär aus. Die visuellen Effekte sind auch sehr gut gealtert, so dass er sich nicht anfühlt wie ein Film aus einer anderen Zeit. Er fühlt sich eher an wie ein Zeitfenster in das Jahr 1912 als ein Zeitfenster in das Filmemachen des Jahres 1997.

An das Drehen welcher Szene erinnern Sie sich besonders gut?

Cameron: Oh, da gibt es so viele. Ich meine, wir hatten einen 100 Fuß langen Schiffsabschnitt, den wir senkrecht aufgestellt haben - mit Hunderten Statisten darauf. Die technischen Voraussetzungen, das abgesichert tun zu können, waren immens. Aber dann denke ich auch an die kleinen Szenen, an die, in der Jack Rose zeichnet. Das Bild hab ich ja gezeichnet und die reingeschnittenen Nahaufnahmen im Film zeigen meine Hände. Ich frage mich heute noch: Warum habe ich Leo nicht einfach gebeten, mit der linken Hand zu zeichnen? Denn später, als ich das Bild, das dann im Film zu sehen ist, zeichnete, musste ich als Linkshänder so tun, als sei ich Rechtshänder und alle Schattierungen und so weiter mit rechts machen. Das war natürlich ungleich schwieriger für mich. Ich hätte einfach sagen sollen: Okay, Leo, zeichne einfach mit der linken Hand. Dann hätte er zwar womöglich gesagt, dass er das nicht kann. Aber ich hätte dann sagen sollen: Zeichnen kannst Du ja auch mit der rechten Hand nicht, wo ist der Unterschied? Bewege einfach Deine linke Hand hin und her.

Erinnern Sie sich noch an den Moment, an dem Ihnen klar wurde, was für ein Riesen-Erfolg der Film wird?

Cameron: Da gab es zwei Momente: Der erste war eine Vorführung vor einem Testpublikum in Minneapolis. Hinter mir saß eine Frau, die jeden ihrer Gedanken ausgesprochen und alles kommentiert hat. Da merkte ich: Wow, dieser Film ist wirklich kommunikativ. Der zweite Moment war nach der Veröffentlichung. Normalerweise halbieren sich die Zuschauerzahlen, wenn die erste Neugier sich gelegt hat, aber bei „Titanic“ gingen sie weiter nach oben. Das hatte bis dahin nur ein Film geschafft: „E.T.“. Da habe ich gemerkt: Wow, hier passiert etwas wirklich Erstaunliches. Die Leute gingen immer wieder ins Kino.

Und das waren nicht nur - wie es eine etwas herablassende Legende will - 14 Jahre alte Mädchen, die im Rudel ins Kino gingen, um dort Heul-Feste zu veranstalten. Natürlich gab es die auch, aber 1,8 Milliarden lassen sich nicht nur mit Heul-Festen erklären. Es waren Zuschauer jedes Alters, die das Kinoerlebnis mit anderen teilten - mit Freunden, Müttern, Vätern, Söhnen, Töchtern. Das erstreckte sich über alle Generationen.

Der Film entpuppte sich als einer für jeden, für alle Kulturen auch. Es spielte überhaupt keine Rolle, in welcher Sprache man den Film schaute, er schien alle Menschen überall auf der Welt zu berühren. Es gab also offenbar eine gewisse universelle Emotionalität, die der Film hervorbrachte und die wir nicht erwartet hatten.

Gilt das auch für Ihre anderen Filme? Mit „Titanic“ und den beiden „Avatar“-Filmen sind ja inzwischen drei der vier wirtschaftlich erfolgreichsten Filme aller Zeiten Ihre...

Cameron: Ich denke, es ist dasselbe Prinzip. Wenn man es auf einen Slogan herunterbrechen würde, wäre es wohl: Emotionen und Spektakel. Das gilt für „Titanic“ ebenso wie für meine beiden „Avatar“-Filme, obwohl die auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten und sehr, sehr unterschiedliche Themen haben. Trotzdem funktioniert beides auf eine sehr ähnliche Weise. Es ist die Kombination aus einer emotionalen Reise und einem spektakulären, visuellen Erlebnis in einem Kino. Alle drei Filme sind für das Kino gemacht und wirken zuhause nicht ansatzweise so gut. Darum finde ich es auch so wichtig, „Titanic“ jetzt nochmal in die Kinos zu bringen.

Zur Person: „Ich bin der König der Welt“, sagte der kanadische Regisseur James Cameron, als er 1998 den Oscar als bester Regisseur für seinen Mega-Erfolg „Titanic“ entgegennahm, in Anlehnung an Worte seiner Film-Hauptfigur Jack. Doch obwohl „Titanic“ elf Oscars gewann, war Camerons Karriere mit dem Film noch nicht am Zenit angekommen. Der 2009 erschienene Film „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ spielte sogar noch mehr Geld ein als „Titanic“ und gilt heute als wirtschaftlich erfolgreichster Film aller Zeiten. Mit der Ende 2022 veröffentlichten Fortsetzung knüpfte Cameron dort an. „Avatar: The Way of Water“ schaffte es schon jetzt auf Platz vier der Liste. Damit sind drei der vier kommerziell erfolgreichsten Filme der Kinogeschichte Cameron-Werke.

(aku/dpa)
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