Regisseur Peter Jackson Warum der Hobbit eine Quotenfrau braucht

Der zweite Teil der Tolkien-Saga "Der Hobbit" ist in den Kinos. Allerdings ist Regisseur Peter Jackson nicht hundertprozentig beim Original geblieben. So hat er beispielsweise weitere Figuren hinzugedichtet. Manche Szenen hat er mit der Handkamera gedreht. Im Gespräch verrät Jackson, warum er auch immer selbst in seinen Fantasyfilmen zu sehen ist.

Wo der Hobbit herkommt
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Regisseur Peter Jackson (52) ist im Kino der Herr über Mittelerde — aber wenn er es sich aussuchen könnte, dann wäre er dort am liebsten einer der gemütlichen, zurückhaltenden Hobbits. Heute startet "Der Hobbit: Smaugs Einöde", der zweite Teil von Jacksons "Hobbit"-Trilogie, in den Kinos.

Was macht in unserer modernen, hoch technisierten und krisengeschüttelten Zeit die Faszination für solch archaische Fantasy-Welten aus, wie sie Tolkien in seinen Büchern und Sie in Ihren Filmen entwerfen?

Jackson Vielleicht ist gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten die Sehnsucht, sich in eine andere Welt zu flüchten, besonders stark. Aber Tolkien ist auch einfach ein sehr guter Schriftsteller, der in einer lebendigen Sprache spannende Geschichten mit faszinierenden Charakteren erzählt. Als Professor in Oxford hat er die alten Mythologien gründlich studiert. Er kannte sich in der nordischen Sagenwelt genauso gut aus, wie in der griechischen Mythologie.

Mit seinen Romanen versuchte er für England eine eigene, neue Mythologie zu erschaffen. In seinem Heimatland gingen die alten Sagen verloren, als 1066 die Normannen die britische Insel eroberten und die mündlich überlieferten Geschichten nicht mehr weiter tradiert wurden. Tolkien kannte die Regeln der Mythologien und hat danach seine Geschichten entworfen. Dadurch sind seine Werke zeitlos geworden und sprechen Menschen aus unterschiedlichsten Epochen, Ländern und Kulturen an.

Szenen aus "Der Hobbit - Smaugs Einöde"
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Szenen aus "Der Hobbit - Smaugs Einöde"

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Mit "Herr der Ringe" gehören Sie zu den Pionieren der digitalen Bildproduktion, die das Kino in den letzten Jahrzehnten revolutioniert hat. Hat die Filmtechnologie heute ein Level erreicht, in der der Kreativität keine Grenzen gesetzt sind?

Jackson Heute kann man alles, was man sich vorstellt, auf die Leinwand bringen. Dadurch sind wir jetzt aber auch an einem Punkt angekommen, wo das Geschichtenerzählen wieder wichtiger wird. Bis zu einem bestimmten Punkt kann man das Publikum mit verblüffenden Effekten und moderner Technologie bei der Stange halten, aber eigentlich kommt es heute im Kino wieder mehr darauf an, dass man Figuren und Emotionen auf die Leinwand bringt, auf die sich die Zuschauer einlassen können. Der visuellen Kreativität sind heute keine Grenzen mehr gesetzt und gerade deshalb ist es wichtig, sich wieder mehr auf die Story zu konzentrieren.

Hat sich durch den technologischen Fortschritt in den zehn Jahren, die zwischen "Herr der Ringe" und "Der Hobbit" liegen, Ihre filmische Herangehensweise geändert?

Jackson Es gibt heute auf jeden Fall ein höheres Maß an gestalterischer Freiheit. Die letzten 20 Minuten des Films habe ich selbst mit der Handkamera gedreht. Die mit Gold gefüllte Höhle des Drachen haben wir als digitalen Raum geschaffen, in dem ich mit der Kamera frei umhergehen konnte. Auf diese Weise sehen die Sequenzen fast wie ein Dokumentarfilm eines Kriegsberichterstatters aus. Ich habe mich als Regisseur inmitten meines eigenen Filmes bewegt. Der Drache ist direkt über meinem Kopf hin- und hergelaufen und ich konnte mich mit der Kamera dort positionieren, wo sein Fuß aufsetzt.

Wodurch unterscheidet sich Smaug, der Drache, von herkömmlichen Filmmonstern?

Jackson Es gab ja im Kino schon viele Drachen. Deshalb haben wir uns Mühe gegeben, Smaug so gerissen und gefährlich wie möglich zu gestalten. Benedikt Cumbercatch, der Smaug seine großartige Stimme leiht, hat die Figur als superintelligenten Psychopathen angelegt.

Nach dem ersten Teil von "Hobbit" mussten Sie harte Kritik vonseiten der Tolkien-Puristen einstecken, die mit den Freiheiten, die Sie sich genommen haben, nicht einverstanden waren. Im zweiten Teil haben Sie sogar mit der Elben-Kämpferin Tauriel eine weibliche Figur hinzuerfunden, die im männerdominierten Tolkien-Universum nicht vorkommt. Wie kam es zu dieser Quotenfrau?

Jackson In seinen Büchern ist Tolkien der Erzähler, der sich viel Raum nimmt, seine Figuren zu beschreiben. Man glaubt, seine Stimme zwischen den Seiten hören zu können. Im Film hat der Regisseur nicht die Möglichkeit, als Erzähler aufzutreten, sondern muss die Geschichte durch Dialoge, das Verhalten und Spiel erzählen. Die Romanvorlage von "Der Hobbit" verfügt nicht über viele Figuren mit großer Tiefe, deshalb mussten wir die Geschichte um einige Charaktere erweitern. Der Elbenkönig hat im Buch nicht einmal einen Namen. Dafür mussten wir Charaktere mit Beziehungen und Konflikten hinzufügen. Dabei haben wir uns für eine weibliche Figur entschieden, gerade weil im Buch keine Frauen vorkommen.

MARTIN SCHWICKERT FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
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