„Schnallen Sie sich an“ Soderbergh verspricht filmreife Oscar-Show mit „bahnbrechender“ Eröffnung

Los Angeles · Am Sonntag guckt die Filmwelt nach Los Angeles. Dort wird der Oscar verliehen. Nun stellt sich immer weiter die Frage nach der großen Show, die pandemiebedingt ganz anders sein wird als ihre Vorgänger. Nun hat Steven Soderbergh erste Details verraten.

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Das sind die Oscar-Nominierungen 2021

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Foto: dpa/Chris Pizzello

In den ersten 90 Sekunden der diesjährigen Oscar-Verleihung passiert Bahnbrechendes. Das zumindest behauptet Regisseur Steven Soderbergh, der die Corona-Version des alljährlichen Filmspektakels in diesem Jahr mitproduziert. Mit der Eröffnungssequenz werde sehr schnell klar werden, dass sich die Oscars 2021 auf Neuland begeben, sagt Soderbergh der Nachrichtenagentur AP in einem Interview. „Gleich von Anfang an werden die Leute wissen: Wir müssen uns anschnallen.“

Soderbergh und seine Mitproduzenten Stacey Sher und Jesse Collins wollen aus der Not eine Tugend machen und das alljährliche gegenseitige Schulterklopfen und Schaulaufen der Stars neu denken, wie einen Film und weniger wie eine Fernsehshow. Immer wieder wurden bei den Oscars kleine Änderungen versucht, aber das Format ist 93 Jahre lang im Grunde das gleich geblieben.

In diesem Jahr sind schon mal die Vorgaben ganz andere: Wenn die Übertragung in der Nacht zum Montag deutscher Zeit beginnt, gibt es keine Stars auf dem Roten Teppich so wie noch letztes Jahr kurz vor der Pandemie und auch kein Publikum. Das Dolby Theatre, wo die Show traditionell stattfand, ist nur noch ein Nebenschauplatz neben der Union Station, dem Bahnhof im Zentrum von Los Angeles. Was man aber auch nicht wollte, ist eine virtuelle Preisverleihung mit eingesprenkelten Show-Acts wie bei den Golden Globes im Februar. Es soll keine endlos aneinandergereihten Zoom-Schalten geben, niemand soll seinen Preis in Schlabberklamotten annehmen. Immerhin sind es die Oscars. Die Nominierten wurden gedrängt, mit entsprechenden Corona-Sicherheitsvorkehrungen persönlich zu der wegen der Pandemie um zwei Monate verschobenen Show zu kommen.

Ganz so klappt das nicht, immerhin gibt es nach wie vor in vielen Ländern Lockdowns und Quarantänebestimmungen. Als Kompromiss soll jetzt ein Teil der Nominierten in London zusammenkommen, einige anderen schalten sich dann doch über Satellit zu und ein Teil des Materials wird vorher aufgezeichnet. Jede und jeder Nominierte hat sich im Vorfeld 45 Minuten mit den Produzenten abgesprochen.

Es sollte weder eine Nabelbeschau Hollywoods noch eine Videokonferenz werden, soviel war Soderbergh klar. Er stellt sich die Übertragung vielmehr als dreistündigen Kinofilm vor. Aber was heißt das genau, von einem, der Regie geführt hat bei Filmen wie „Ocean's 11“ und „Logan Lucky“? Sollen wir uns auf einen Gangsterfilm einstellen?

„Es wird sich wie ein Film anfühlen in dem Sinn, dass es ein alles überspannendes Thema gibt, das auf unterschiedliche Arten in der ganzen Show zum Ausdruck gebracht wird. Die Präsentatoren sind im Grunde die Geschichtenerzähler für jedes Kapitel“, sagt Soderbergh.

Für ihn sei die bisherige Konstellation immer ein Graus gewesen. Im Saal sitzt die Hollywood-Prominenz, ein paar von ihnen sind für Preise nominiert, andere gehen zu zweit auf die Bühne und verkünden nach ein paar vom Teleprompter gelesenen Scherzchen die Gewinner. Deshalb sei er rangegangen, wie bei jedem kreativen Prozess, sagt der Regisseur. Wenn er höre, dass etwas so gemacht wird, weil es immer schon gemacht wird, sei das für ihn schon ein klares Warnsignal, dass man es ändern müsse. „Alle von uns müssen in diesem Jahr den Nutzen ziehen aus der Gelegenheit, die uns dargeboten wurde, und wirklich die Erwartungen in Frage stellen, die an eine Award Show gerichtet werden.“

Für ihn sei bei den Oscars immer das größte Problem gewesen, dass sie keine Intimität, kein Gefühl der Nähe erzeugten, sagt Soderbergh. Und das wolle er ändern. Die Rolle des Oscar-Retters ist Soderbergh nicht unbedingt auf den Leib geschneidert, immerhin hatte er sich vor acht Jahren auf dramatische Art und Weise von Hollywood verabschiedet, weil es ihm dort an Innovation und kultureller Tiefe fehlte. Aber er gehörte dann auch zu jenen, die die US-Filmindustrie nach den Corona-Schließungen wieder nach vorne brachten mit Massentests und strikten Hygiene-Vorschriften.

Egal wie gut seine Oscar-Show wird, die 23,6 Millionen Zuschauer vom vergangenen Jahr in den USA wird er wohl nicht erreichen. Und das war schon die niedrigste Quote aller Zeiten. Das Interesse an Preisverleihungen ist im Corona-Jahr noch einmal mehr gesunken. Umso mehr bemühen sich Soderbergh und seine Kollegen, die Werbetrommel für ihr Konzept zu rühren.

Technisch und auch von der Musik her (Questlove von der Hip-Hop-Band The Roots ist Musikdirektor) dürfte alles tatsächlich mehr wie ein Kinofilm wirken. Und Soderbergh hofft- ganz unbescheiden -, dass es nach einem schwierigen Jahr für die Filmindustrie mit Produktionsverzögerungen und Kinoschließungen auch ein Startschuss für etwas Neues sein kann. Letztlich habe man aber auf jeden Fall etwas versucht und der Oscar-Akademie, den Zuschauern und den Fernsehsendern einen anderen Weg für die Preisverleihung aufgezeigt, sagt der Regisseur. „Das bedeutet, dass sie sich verändern wird. Und sie muss sich verändern.“

(mja/dpa)
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