Pannen bei den Oscars Hollywood zeigt Nerven

Los Angeles · Desaster bei der 89. Oscarpreisverleihung: Filmstars Warren Beatty und Faye Dunaway rufen den falschen Gewinner aus.

Oscar 2017: Warren Beatty nennt La La Land statt Moonlight als Gewinner
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Laudatoren geben falschen Siegerfilm bekannt

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Foto: rtr, HB

In der Oscarnacht gehen Lebensträume in Erfüllung. Die Veranstaltung ist eine Feier dieses Moments: Aus Schauspielern werden Stars, die Mühen der Karriere werden belohnt, und unter Tränen wird Müttern, Produzenten, Gott gedankt.

In diesem Jahr konnte man erleben, wie ein Albtraum in Erfüllung geht. Die altgedienten Filmstars Faye Dunaway und Warren Beatty erklärten ausgerechnet in der wichtigsten Kategorie Bester Film zunächst "La La Land" zum Sieger. Das Filmteam strömte auf die Bühne, die Produzenten schwelgten schon in Dankesworten, als von hinten die Nachricht durchsickerte: Fehler, falscher Umschlag, "Moonlight" ist der beste Film. "No joke - kein Witz", heiß es noch. Dann konnte ein fassungsloses Publikum erleben, wie ein Filmteam, das für das wiederbelebte Musical-Hollywood steht, für zarten Eskapismus, mitten im Siegestaumel abtreten muss. Wie es seinen Platz einer anderen Crew überlassen muss, die mit einem harten Sozialdrama über einen afroamerikanischen, schwulen jungen Mann die wichtigste Auszeichnung der Filmbranche gewinnt. Seinen Triumph konnte "Moonlight"-Regisseur Barry Jenkins in diesem Tumult kaum noch auskosten. Zu aufgewühlt waren die letzten Augenblicke dieser Oscarnacht: Sieg und Fall zur gleichen Zeit, ungläubige Euphorie neben absoluter Enttäuschung. Die größte Showmaschine der Welt gerät aus dem Takt - und gebiert echte Emotionen.

Natürlich wird sich Hollywood diesen Vorfall wieder einverleiben, wird ihn in eine der vielen "unvergessenen Oscar-Momente" verwandeln, ein Missgriff hinter den Kulissen, ein vertauschter Umschlag, Fehler passieren. Doch sie geschehen, wenn Menschen nervös sind, wenn plötzlich nicht mehr alles wie selbstverständlich funktioniert. Zwei Mitarbeiter der Unternehmensberatung PWC sind in der Oscarnacht verantwortlich dafür, den Laudatoren die richtigen Umschläge mitzugeben. Alle Briefe sind sicherheitshalber doppelt vorhanden. So kam es wohl zur Verwechslung, Beatty wurde mit dem falschen Umschlag auf die Bühne geschickt. Und es war nicht die einzige Panne: Im Gedenkvideo wurde statt einer verstorbenen Kostümbildnerin das Foto einer Produzentin gezeigt, die noch sehr lebendig ist.

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Foto: Chris Pizzello/Invision/AP/Chris Pizzello

Es lief also nicht rund ausgerechnet in dem Jahr, da alle mit erhöhter Aufmerksamkeit nach Los Angeles blickten, gespannt, wie sich das liberale intellektuelle Amerika positionieren würde gegenüber dem neuen Machthaber im Weißen Haus. In der 89. Oscarnacht verliert Hollywood plötzlich seinen Unfehlbarkeits-Nimbus in Sachen perfekter Show.

Dazu wirkten die politischen Botschaften des Abends seltsam verhalten. Da war nichts mehr zu spüren vom sprühenden Kampfgeist einer Meryl Streep, die noch vor wenigen Wochen bei den Golden Globes die Entgleisungen des neuen Präsidenten benannte - und dabei so überlegen, so unantastbar wirkte. Bei den Oscars blieb die von vielen erwartete Abrechnung mit Donald Trump aus, gab es keine pathetischen Gesten der Hollywood-Familie. Nur die schwarze Schauspielerin Viola Davis, die als beste Nebendarstellerin in Denzel Washingtons Hinterhofdrama "Fences" ausgezeichnet wurde, nutzte ihre Dankesrede für flammende Worte. Das wirkte allerdings so einstudiert, dass Moderator Jimmy Kimmel witzelte, für diese Rede werde sie sicher bei den Emmys nominiert. Er selbst lieferte die erwartbaren Seitenhiebe zu Pressefreiheit und Rassismus. Pointen statt Protest.

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Oscars 2017: Politische Statements auf dem roten Teppich

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Foto: ap, AK PM DC

Die deutlichsten Worte fand ein Iraner - allerdings mussten sie verlesen werden: Regisseur Ashgar Farhadi, der für "The Salesman" den Preis für den besten fremdsprachigen Film erhielt, nahm die Trophäe aus Protest gegen Trumps Einwanderungspolitik nicht persönlich entgegen. "Meine Abwesenheit geschieht aus Respekt vor den Einwohnern meines Landes und den sechs anderen Ländern, denen durch den unmenschlichen Einreisestopp der USA Verachtung entgegengebracht wird", ließ Farhadi verlesen. Wer die Welt in Kategorien von "Wir" und "unsere Feinde" einteile, schüre Angst. Der Oscar für Farhadi war wohl auch ein politisches Signal. Maren Ade ging mit "Toni Erdmann" leer aus, ebenso der Düsseldorfer Komponist Hauschka.

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Foto: afp

Die Oscargala wurde nicht zur Kundgebung einer glamourösen außerparlamentarischen Opposition, politische Signal gingen trotzdem von ihr aus. Zwar ist "La La Land" trotz des verpfuschten Finales rechnerisch der Gewinner des Abends. Der Film, der das Musical-Genre mit gekonnter Leichtigkeit neu beschwingt, war in 14 Kategorien nominiert, bekam am Ende sechs Oscars, darunter in wichtigen Kategorien wie Regie, Musik, Kamera und beste Hauptdarstellerin: charmant nahm Emma Stone ihre Trophäe entgegen. Bester Hauptdarsteller wird Casey Affleck für sein bewegend-verschlossenes Spiel in "Manchester by the Sea". Doch vor allem hat die Academy afroamerikanische Themen und Darsteller bedacht. Nachdem im vergangenen Jahr heftig über die zu "weiße Auswahl" des Gremiums diskutiert wurde, bekam die Academy 700 neue Mitglieder mit diversem kulturellen Hintergrund. Das scheint Wirkung zu zeigen. Eine Doku über den Mordprozess gegen O.J. Simpson zählt zu den Siegern. Das wuchtige Drama "Moonlight", in dem keine einzige Rolle von Weißen gespielt wird, wurde nicht nur bester Film, es gab auch Oscars für Mahershala Ali als Nebendarsteller und für das beste adaptierte Drehbuch. So war das afroamerikanische Hollywood in dieser Gala-Nacht stark vertreten. Kein lautes Signal, aber ein sichtbares.

(dok)
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